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Ausstellungen 
   
   
  71  Desirée Palmen und Anke Schäfer: Sylvia Plaid & Jane Blond, Special Guests in Vienna  Patricia Grzonka  
    Kunsthalle Exnergasse, von 27.11.1997 bis 20.12.1997
   
   
In der zweiten Hälfte 97 weilten die beiden in den Niederlanden lebenden Künstlerinnen Anke Schäfer und Désirée Palmen als »Artists in Residence« in Wien; als »Special Guests in Vienna« schickten sie ihre Heldinnen Jane Blond und Sylvia Plaid ins Rennen, die mit lokalen Interventionen die partizipierenden Menschen leicht verwirrten.

Anke Schäfer spielte Jane Blond und unternahm mit ihr Reisen. Reisen zu Umsatzorten einer speziellen Konsumgüterindustrie wie Spielzeugwarengeschäften und Waffenhandlungen, Ferrari-Vertretungen, Reisebüros oder Luxushotels, zu denen sie Leute einlud, die als AugenzeugInnen später Bericht erstatteten. Sie trug dazu in schräger Unperfektheit lauter Insignien eines gängigen Weiblichkeitsideals: ein enges Kostüm mit kurzem Rock, nicht zu hohe Damenpumps, eine blonde Perücke und sprach ein »broken American«. In dieser Rolle trat sie den Beweis an, daß mit entsprechendem Outfit gesellschaftliche Schranken und Tabuzonen zwar geöffnet werden können, daß sie aber durch unpassende Codes auch schnell wieder zugemacht werden. Die Orte, »die einem normalerweise verschlossen bleiben« (Schäfer), benutzte Jane Blond beim Waffenkaufsimulieren oder beim Hotelsuitenzeigen als Projektionsfläche für ihren »Live-Movie«, um da die Grenzen ihres eigenen Szenarios auszuprobieren. Dabei blieb Jane Blond als Konstruktion aber eher darauf reduziert, einen experimentellen Performancebegriff vorzuführen und weniger einen Identitätsbegriff zu hinterfragen; sie war die deklarierte »Anti-Heldin«.

In einem andern Sinn als Jane Blond, die durch ihre »Travestie von Frau zu mehr Frau« (Schäfer) einen identifikatorischen Charakter darstellte, suchte sich Sylvia Plaid, die Figur von Désirée Palmen, ihre Räume aus, um dort die Grenzen des Normierten anzutasten. Sylvia Plaid betrat Wiener Kaffehäuser, die Aushängeschilder nationalösterreichischen Gastlichkeitskultes, mit ihrem eigenen Tischtuch, das sie zunächst als »Tischtuchkostüm« um die Schulter drapiert trug. Wenn die konsumierten Bestellungen auf ihrem Kleid deponiert wurden, erwies sich die Hand eines Obers, die das Tischtuch glattstrich, sofort als Eingriff in die Intimsphäre. Sylvia Plaid setzte sich heldinnenhaft einer unbestimmten Gefahr aus, indem sie eine an sich gewöhnliche Situation (Kaffeehausbesuch) für sich riskant und prekär machte. In dieser Simulation eines »normalen« Kaffeehausbesuchs erfuhren die restlichen, zufällig anwesenden Gäste eine Manipulierung ihres unbeteiligten AkteurInnen-Status, indem sie zu nicht-wissenden VoyeurInnen degradiert wurden.

Auch die Besuche Sylvia Plaids wurden von eigens Eingeladenen observiert und schriftlich festgehalten. In diesem Fall verwandelten sich die AugenzeugInnen in stille KomplizInnen, während Jane Blond die Mitreisenden als AkteurInnen in ihrem Film einsetzte.

Die verschiedenen Momente der Fixierung und An-Teilnahme bildeten schließlich die Angelpunkte der Präsentation in der Kunsthalle Exnergasse: kein hierarchisches Ausstellungskonzept, eher eine Studie der Auslagerungsfähigkeit von Rezeption. Ein am Boden aufgeklebtes symbolisches Netzwerk der Straßen Wiens mit darüber an den jeweiligen Orten aufgehängten Foto- und Textmobiles von Anke Schäfer und den von Désirée Palmen gelesenen Gedächnisprotokollen, die über Kopfhörerinnen abrufbar waren, bildete den Grundraster. Die Stationen der beiden Protagonistinnen schnitten sich hier mit Dokumenten der Künstlerinnen und mit denen der AugenzeugInnen, mit Fotos von kurzfristig eingespannten PassantInnen, Videos zur Person von Jane Blond oder Versatzstücken der Aktionsorte von Sylvia Plaid (die authentischen Kaffeehausstühle).

Sylvia Plaid und Jane Blond sind mit ihren Wiener Arbeiten auch in Maastricht im Kunstcentrum HEDAH zu Gast, Titel: »doUble yoU« (14. Februar bis 15. März). Die Publikation, die zu diesem Anlaß erscheint, wird am 5. März in der basis Wien im Museumsquartier vorgestellt. (27. November bis 20. Dezember 1997
 
     

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