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Kunstparcours: Kunst über den Dächern von Linz

17.06.2011 | 18:18 | von Sabine B.Vogel (Die Presse)

Die geglückte Neuauflage von "Höhenrausch" im Centrum Linz führt den Besucher unter dem Motto "Wasser, Wolken, Wind" wieder in luftige Höhen. Der 1,6 Kilometer lange Parcours hält auch Wissenswertes bereit.

Magnetbänder flattern im Wind, einige Schritte weiter krault eine Frau im Video durchs Wasser, daneben kann man sich in ein Foto- und Tonarchiv von 52 isländischen Wasserfällen vertiefen. Noch ahnen wir nicht, dass Wasser uns bald nicht mehr nur als Thema begegnen wird: Schon der nächste Ausstellungsraum ist tatsächlich geflutet. Nur ein schmaler Steg ermöglicht es, trockenen Fußes den Weg fortzusetzen.

Wir sind auf dem Parcours von „Höhenrausch“ im OK Centrum Linz. Vorbei geht es an einer riesigen Luftblase, die aus dem Fenster hinauszudrängen scheint. Dann verlassen wir das Haus und gelangen auf das Dach der angrenzenden Parkgarage. Dichter Trockennebel umhüllt uns, der aus 600 Düsen geblasen wird. Der Weg führt über die Dächer von Linz, eine enorme Brückenkonstruktion hinauf in den 80 Meter hohen Kirchturm der Ursulinenkirche, auf das Dach des „Passage City Centers“, im zweiten Teil dann durch die Räume des OK Centrums hinunter, am Kräutergarten in luftiger Höhe vorbei, durch den dunklen Dachboden des Ursulinenhofs – bis wir wieder Boden unter den Füßen haben und auf die Landstraße treten.

1,6 km lang ist dieser erlebnisreiche Parcours. Einige Wege kennen wir noch vom „Höhenrausch“ 2009, der zentralen Ausstellung im Kulturhauptstadt-Programm „Linz09“. Der ungeheure Erfolg dieses Ausflugs über die Dächer von Linz motivierte den Direktor des OK, Martin Sturm, die Steg-Konstruktion heuer erneut zu nutzen – und mit „Höhenrausch.2“ ist dem OK Centrum eine großartige Fortführung gelungen. Der Parcours fängt allerdings diesmal bereits im Haus an – und die Zahl der Kunstprojekte wurde auf 46 erhöht.

 

Pipilotti Rists Rauch-Seifenblasen

Dieses Jahr steht der „Höhenrausch“ unterm Motto „Wasser, Wolken, Wind“. Innen im OK Centrum kreisen mehrere Installationen um diese Elemente, etwa Pipilotti Rists zauberhafte Maschine, die mit Rauch gefüllte Seifenblasen erzeugt. Im „Blauen Kabinett“ sind 21 Videos, Fotografien und Objekte versammelt, darunter Shilpa Guptas „Wolke aus Holz“, die die Leichtigkeit und Flüchtigkeit des Elements in ihr Gegenteil verkehrt. Im Außenraum dann Wolfgang Dorningers „Windmaschine“ oben im Kirchturm, die der Zugluft das passende Geräusch hinzufügt. Und der spielerische Höhepunkt, Jeppe Heins „Hexagonaler Wasser Pavillon“ auf dem Parkdeck: Wassersäulen, die unerwartet aufsteigen, zu Wänden werden und uns darin kurz und folgenreich einschließen – eine nasse Herausforderung nicht nur für Kinder.

Aber der Parcours hält auch Wissenswertes bereit. Im begehbaren UFO von Hans Kropshofer erfahren wir, dass Linz 1650 Hektar Wald im Stadtgebiet zu bieten hat und die Donau auf 16,2 Meter Länge durch die Stadt fließt. Einige Schritte weiter sind Solarmodule angebracht. Noch sind einige Plätze frei für weitere Paneele. Denn diese Konstruktion erzeugt nicht nur Strom, sondern zeigt uns auch die Menge der bisherigen Ausstellungsbesucher an. Anfangs waren 21 Stück installiert. Pro 1200 Besucher kommt seit der Eröffnung je ein neues Modul dazu. Am Ende sollen es 84 Paneele werden, die einen Jahresstromertrag von 18.500 kWh erzeugen. Dafür sind 100.000 Besucher notwendig. Nach nur vier Wochen sind es bereits 36.000 Besucher – das Ziel scheint locker erreicht zu werden. Allein am Pfingstmontag kamen 2800 Menschen.

 

Waghalsige Steg-Konstruktionen

Der enorme Erfolg dieser Ausstellung beruht darauf, dass hier Kunst zum Erlebnis wird – und dies nicht nur spektakelhaft, sondern nachhaltig. Der Weg in die Höhe, der Blick über die Dächer, die waghalsige Steg-Konstruktion, das spielerische Interagieren mit Wasser – all das zusammen erzeugt aufregende Situationen, die für die Thematik sensibilisieren. Wirklichkeit wird modellhaft inszeniert, künstlerisch umgedeutet und sachlich vorgeführt.

Besonders bei Kindern kann man beobachten, dass durch diese Mischung das Interesse an den konventionell ausgestellten Werken im Haus enorm steigt. Wolke und Wasser, das sind jetzt nicht mehr nur Begriffe oder beliebige Bilder, sondern erlebte Phänomene. Erlebnisse sind verinnerlichte Momente, und gerade in dem „Blauen Kabinett“ lässt dieser Zugang die emotionale Distanz zu den Werken schwinden. So schafft es diese Ausstellung, dass Wasser, Wolke und Wind zugleich als Konstruktion und Wirklichkeit, als Bild, Wissen und Funktion erlebt werden – und dies bis spät in die Nacht hinein, mit Bar und Liegestühlen auf dem obersten Parkdeck.


Höhenrausch.2. Brücken im Himmel. OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich, Linz. Bis 16.Oktober. Mo–Fr 12–22, Sa–So 10–22 Uhr, Eintritt 10/ermäßigt 7 bzw. 5 Euro


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