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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
01. September 2009
17:12 MESZ

Bis 1. 11.

Bis 5. September noch zeigen die Krinzinger Projekte in der Schottenfeldgasse 46 Arbeiten von Hema Upadhyay, Tushar Joag, Anant Joshi aus Mumbai.

 

 

 

Fast authentisches Bild einer berühmten Massenszene: Vivan Sundaram, "Metal Box" , 2008.


Auf in eine neue Ära
Belege neuerer Kunst aus Indiens Metropolen

Klosterneuburg - Chalo! India - eine Austellung des Mori Art Museum in Tokio - gastiert im Essl Museum. Und damit der Ausschnitt einer "neuen Ära indischer Kunst" , der natürlich der größte je in Österreich gezeigte ist. "Chalo" bedeutet auf Hindi "Los geht's" bzw. "Gehen wir!" , wird aber auch als Grußformel gebraucht. Vielleicht um der Hoffnung eines gemeinsamen Wegs Ausdruck zu verleihen.

Eine ähnliche Grußformel hat Joseph Beuys 1984 entwickelt: Mit dem Titel von hier aus! hat er Kasper Königs Zusammenstellung neuer deutscher Kunst in Düsseldorf um das stets wichtige programmatische Moment bereichert.

Und jetzt boomt eben Indien. Und verspricht dabei mehr Nachhaltigkeit, als Afrika je zugetraut wurde. Die Gegenwartskunst Afrikas, die Anfang der 90er-Jahre gehypt wurde, kam vor allem von Künstlern in der Diaspora, aus Paris, London oder New York. Die "neue Ära indischer Kunst" wird vor Ort produziert, kommt aus Delhi, Mumbai oder Bangalore. Weil dort die Kaufkraft wohnt, das nötige Kapital, um Ästhetik auch durchzusetzen, das zunächst "Spezielle" in den Kanon aufzunehmen. Als finanzkräftige Stimme im Gleichklang von Galerien, Kunst-handel und Auktionswesen.

Und: Da relativ frisch, sind die Künstler, zumindest in der Auswahl des Mori-Museums, allesamt auf der guten Seite, beklagen gewandt die Zustände in den jeweiligen urbanen Umfeldern, künden von den Trennlinien zwischen Slum und Villa, den ersten Opfern des neuen Fortschritts. Jitish Kalat dokumentiert das Aussterben der Auto-Rikschas, die gegen die neue Spezies der vierrädrigen Taxis keine Chance mehr haben. Dass er das eher brachial mit einem Rikscha-Fossil aus Tier- und Menschenknochen macht, scheint bloß den Erlebnisfaktor der neueren indischen Kunst zu steigern. Und ist also gut so.

Krishnaraj Conat bangt plakativ um die Zukunft des Landes: Die Tradition treibt, eilig aufgetürmt in einer provisorischen Barke (ein abgenutzter Pool als typischer Abfall der Neureichen), einer ungewissen Zukunft entgegen.

Von all dem unberührt ruht oder verwest ein Elefant still vor sich hin. Schließlich wurde seine gesamte Oberfläche von Bindis befallen, von jenen Punkten, die traditionell den Status indischer Frauen als "verheiratet" ausweisen. Die Bindis, die Bharti Kher dem Dickhäuter flächendeckend verpasst hat, geben sich in der Nahsicht als Spermien zu erkennen, sind aber keineswegs chaotisch, vielmehr - wie es das Klischee will - als bezauberndes Muster aufgespritzt.

Folgt man der vorgeschlagenen Abfolge der Themen der Ausstellung, landet man gegen deren Ende hin bei Shilpa Gupta: Sie enthält sich des unmittelbaren Kommentars. Ihre Installation erinnert an Nehrus Rede am Vorabend der Unabhängigkeit Indiens: "Tryst with Destiny." 60 Jahre ist es her, dass Indiens erster Premier diese flammende Rede hielt - heute ist deren Inhalt längst Geschichte; in Shilpa Guptas Interpretation Poesie. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 9. 2009)

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