Salzburger Nachrichten am 8. März 2006 - Bereich: Kultur
Künstler und Götter: An jeder Größe nagen Ratten "Die Götter im Exil":
Ausstellung über Künstlermythologien mit Albert Oehlen, Salvadore Dali und
anderen im Grazer Kunsthaus
MARTIN BEHRGRAZ (SN). In Schulbüchern der 70er und 80er Jahre war er
ein, wenn nicht der Hauptrepräsentant der zeitgenössischen Kunst: Salvador
Dali, Surrealist und Lebemann, Traumbildner mit massentauglichen
Popstar-Attitüden. Für den deutschen Künstler Albert Oehlen war und ist
Dali Antipode und Objekt der Bewunderung zugleich. "Salvador Dali, Albert Oehlen u. a." lautet der Untertitel der von
Peter Pakesch und Katrin Bucher für das Kunsthaus Graz kuratierten Schau
"Die Götter im Exil". Die Mythologisierung der eigenen Künstlerfigur ist
das Überthema der Schau, die wieder einmal belegt, dass das Innere der
Blasen-Architektur von Cook/Fournier nur mit Abstrichen die Ausstellung
von Malerei verträgt. Die von Pakesch - er "rittert" derzeit mit Agnes
Husslein um den Chefsessel in der Österreichischen Galerie - angedachte
"Reise durch die Welt der Bilder" kann schon platzmäßig nur ausschnitthaft
und extrem subjektiv sein. Der Titel für die versammelten Beispiele künstlerischer
Selbstinszenierung und lustvoller Bildmontagen stammt von Heinrich Heine,
das Fazit aus "Die Götter im Exil" verheißt auch den Überirdischen Übles:
"An jeder Größe auf dieser Erde nagen die heimlichen Ratten, und die
Götter selbst müssen am Ende schmählichst zu Grunde gehen." Eine
Anspielung auch auf glitzernden Künstlerruhm? Fünf Werke Dalis, unter anderem das witzig-geniale Gemälde
"Desoxyribonukleinsäure-Araber"-Bild von 1963, werden in Dialog mit
Arbeiten von Arnold Böcklin, Max Klinger, Karel Teige, Philippe Halsman,
Christian Ludwig Attersee und einer mittelgroßen Personale Oehlens
gesetzt. Gemeinsamkeiten wie Narzismus, Exaltiertheit oder ein Hang zur
Drastik tauchen aus dem blubbernden kunstgeschichtlichen Strudel immer
wieder auf. Irrationale Poesie auf unterschiedlichen Pathosebenen bietet eine
Gegenüberstellung der Fotocollagen und (Alb-)Traum-Sequenzen von Teige und
Halsman. Auch reizvoll: Attersees frühe Posen als Faun versus Oehlens
Maskenmann-Collage. Kein Wunder, dass Albert Oehlen, dieser Meister der
Trivialität in hehrem Rahmen, von einer Minigrafik ein großes Bodenmosaik
anfertigen lässt. Konventionen brechen, "aus Scheiße Gold machen", so
seine Künstlerdevise. |