diepresse.com
zurück | drucken
10.05.2003 - Ausstellung
Brüllender Löwe, Loch in der Wand
"Fate of Alien Modes": Eine Ausstellung in der Secession an den Schnittstellen von Film und Kunst.


Ein Mann geht im Arbeitszimmer unruhig auf und ab, geplagt von einem Geräusch. Er demoliert die Einrichtung, reißt ein Loch in die Wand und tritt in einen mysteriösen schwarzen Raum. Der Zuseher kann es ihm quasi gleichtun und in die andere Hälfte des Ausstellungsraums gehen, der von der Leinwand geteilt wird. Auf deren Rückseite ist eine dunkle Fantasiewelt projiziert: Frauen, Musik, Nebel. Ein Loch entsteht im Hintergrund. Der Mann tritt durch, blickt ratlos.

Die Installation Voice/Off von Judith Barry ist ein prototypischer Beitrag zur von Constanze Ruhm kuratierten Ausstellung "Fate of Alien Modes", die den gesamten Ausstellungsraum der Sezession nutzt, um filmische Produktions-Mechanismen im Kunst-Kontext zu untersuchen: Bei Barry geht es um Geschlechterdifferenz, Raum, Ungleichgewicht von Ton und Bild, andere Arbeiten widmen sich nur einem Aspekt.

Der Hauptraum wird von einer plattentellerförmigen Bühne beherrscht, auf der Penelope Georgiu am 5. 6. drehen wird, bis dahin markiert sie ein einzulösendes Versprechen. Ebenfalls ums Imaginäre kreisen zwei Kurzfilme von Mark Lewis, die nie realisierte Projekte - Eisensteins Wunsch, "Das Kapital" zu verfilmen, ein Psychoanalyse-Liebesdrama nach Freud - theoretisch verwirklichen: Als Vor- und Abspann, den Film dazwischen muss man sich ausmalen.

Dankenswerterweise wird hier also auf Interaktion statt Konsumation gesetzt - nur ein Kino, das in wiederholten Vorführungen historische Wegmarken (z. B. von Michael Snow, Chantal Akerman) zeigt, andere werden im Filmmuseum aufgeführt, wo etwa diesen Samstag der renommierte Theoretiker Noël Burch zu zwei Arbeiten referiert. Sonst regiert das originelle Detail: Drehbuch, Storyboard und eine Szene einer Soap zum Beethovenfries, Atmosphären ohne Bilder auf den Platten des im März verstorbenen Jack Goldstein. Dessen MGM, ein Loop, der den Löwen im Firmenlogo endlos brüllen lässt, überschallt die viele Arbeit: Darin kann man auch einen Kommentar zur Hollywood-Hegemonie sehen. hub



© Die Presse | Wien