Der Künstler im Gespräch

"Meine Kunst bildet den Menschen ab", formulierte Alfred Hrdlicka einmal sein Credo.


Seinem Namen, der soviel wie Turteltaube bedeutet, macht der Künstler keine Ehre: Als zahm und sanft erwies sich Alfred Hrdlicka weder in seinen Polemiken und Pamphleten, noch in seinen Paraphrasen berühmter Bilder oder mit seinen Skulpturen im öffentlichen Raum. Er gilt als Grobian, Provokateur, exzessiver Wodkatrinker und als kompromissloser Mensch, der keine Auseinandersetzung scheut.

Alfred Hrdlicka / ©Bild: APA
Alfred Hrdlicka / ©Bild: APA

Am 27. Februar 1928 in Wien als Sohn eines kommunistischen Gewerkschafts-
funktionärs geboren, kam Hrdlicka bereits in jungen Jahren mit Intoleranz und Gewalt in Berührung. Sein Vater wurde mehrmals verhaftet, sein Bruder fiel im Zweiten Weltkrieg. Hrdlicka selbst entzog sich dem Kriegsdienst, indem er untertauchte. Nach einer Zahntechnikerlehre studierte er zunächst von 1946 bis 1952 Malerei und Druckgrafik an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei A.P. Gütersloh und Josef Dobrowsky. Danach studierte er bei Fritz Wotruba Bildhauerei.

Seine umstrittensten Werke zählt er zu seinen wichtigsten: Das wegen Finanzquerelen mit dem Hamburger Senat unvollendete "Gegendenkmal" zu einem alten Soldaten-Ehrenmal sowie das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Wiener Albertina-Platz.

Anlässlich der Ausstellung "Alfred Hrdlicka. Eine Sammlung kuratiert von Peter Baum" sprach ON Kultur mit dem Wiener Künstler.

ON Kultur: Die Ausstellungsräume im Palais Harrach sind barocke Räume. Passen Ihre Arbeiten nicht zuletzt deshalb gut in diese Räume passen, weil es in Ihrem Werk eine barocke Komponente gibt?

Alfred Hrdlicka: Der Barock ist eine Aufbruchskunst, es war also eine revolutionäre Zeit. Ich kann mich mit barocker Stimulanz sehr gut abfinden.

ON Kultur: Sie zeigen in der Ausstellung sehr viel Gewalt. Hat Ihre Auseinandersetzung mit Gewalt mit Kriegserlebnissen zu tun?

Alfred Hrdlicka: Selbstverständlich. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo Rassismus eine alltägliche Komponente war. Ich bin schon vor dem Dritten Reich mit Gewalt konfrontiert worden, denn mein Vater war ein illegaler Kommunist. In der Zeit zwischen 1934 und 1938 ist er mehrfach verhaftet worden. Es ist zweifelsohne so, dass ich die Welt so realistisch sehe, wie sie eben ist.



Alfred Hrdlicka über Gewalt

ON Kultur: Sie wurden mehrmals Wettbewerben für Mahnmale gegen Krieg und Faschismus eingeladen. Einige dieser Projekte haben Sie realisiert. Gab es da auch Feedback im Laufe der Jahre - Kommentare aus der Bevölkerung?

Alfred Hrdlicka: Ein Marokkaner, der für "Radio-Bremen" arbeitet, hat einen Radiobeitrag gemacht und die Leute vor den Denkmälern gefragt: "Was sagen sie dazu?". Daraus entstehen dann zumeist sehr fruchtbare Diskussionen: "Hat das wirklich stattgefunden, haben die Juden wirklich die Straßen waschen müssen?". Hingegen sagen meine Gegner immer: "Muß man einen Menschen in einer so erniedrigenden Haltung zeigen?" Darauf antworte ich dann: Die Kreuzigung Christi war ja auch nicht gerade ein Ruhmesblatt. Zudem wurde er zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt, das ja noch dazu eine diskriminierende Handlung. Und daraus haben die Christen ein Siegeszeichen gemacht.

ON Kultur: Zuletzt haben Sie im Berliner-Wahlkampf in einem Künstlerinserat für den PDS-Kandidaten Gregor Gysi unterschrieben.

Alfred Hrdlicka: Ich glaube, ich war der einzige Ausländer, der das unterschrieben hat. Ich habe mich für Gysi in die Wortschlacht geworfen.

ON Kultur: Sie haben sich wiederholt polemisch über die Abstraktion in der Kunst geäußert - stehen Sie auch heute noch dazu?

Alfred Hrdlicka: Nach dem Krieg ist eine Kunstrichtung entstanden, die sich als alleingültig deklariert hat. Ich wurde dann eine zeitlang als Außenseiter, als Verrückter klassifiziert, der sich nicht den herrschenden Moden unterworfen hat.

ON Kultur: Sie haben Kunst, die nichts Wesenhaftes darstellt, relativ pauschal abgelehnt. Sehen Sie das nach wie vor so?

Alfred Hrdlicka: Kunst ist da, um die Probleme der Menschen zu behandeln.

ON Kultur: Wo ist dann die Grenze?

Alfred Hrdlicka: Grenzüberschreitungen sind
interessant. Sainte-Victoire heißt der Berg, den Cezanne gemalt hat. Und für mich ist es erkennbar, das es ein Berg ist. Was mich stört, ist die Sinnlosigkeit von Tätigkeiten. Ich kann doch nicht aufstehen und ein Quadrat malen. Am nächsten Tag male ich eine Kugel und lege mich wieder nieder und am Tag darauf male ich ein Rechteck - was ist das für eine Beschäftigung?

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