Österreichs Kunstszene nach dem Ersten
Weltkrieg war vielschichtiger, als es international und wahrscheinlich
auch national bekannt ist. Natürlich gab es restaurative Tendenzen und
klassizistische Neigungen, die schließlich in die Nazikunst mündeten,
aber es gab mit der Gruppe der Kinetistinnen oder mit Friedrich
Kiesler, Wolfgang Paalen und Herbert Bayer auch abstrakte
Avantgardisten.
Den schlechten Ruf der Zwischenkriegszeit
will das Leopoldmuseum, gemäß seines Sammlungsschwerpunkts, nun
durchkreuzen – und: Es gelingt!
Im ganzen zweiten Obergeschoß werden die Neue Sachlichkeit, der
expressive Kolorismus, der magische Realismus und Gruppen wie der Bund
Neuland, der Hagenbund oder die genannten Kinetistinnen sowie der
Nötscher Kreis samt Herbert Boeckl präsentiert. Die dezenten Wandfarben
wechseln nach Themen, die einzige Ausstellungsarchitektur stammt von
Kiesler. Als Nachbauten sind die Möbel und Hängekonstruktionen sehr gut
nutzbar.
Künstlerinnen wie Erika Giovanna Klien, Friedl Dicker, Greta Freist
oder Helene Funke bekommen in dieser Ausstellung endlich den
Stellenwert ihrer Kollegen, was ihnen lange versagt geblieben war. Aber
auch Einzelgänger wie Rudolf Wacker oder der Nachtmagier Franz Sedlacek
spielen auf.
Die Bilder zum Opernskandal
Otto Rudolf Schatz, Carry Hauser und Bettina Ehrlich-Bauer
kommentieren mit ihren Gemälden Ernst Kreneks skandalumwitterte
Erfolgsoper "Jonny spielt auf" – neben dem umstrittenen Jazz sind aber
auch die Industrie und das soziale Elend der Arbeitslosen Themen für
die sogenannten Sachlichen.
Zukunftsweisendes steht beharrlich Altmodischem gegenüber, aber es
ist keineswegs nur barocker Aufguss, der die Österreicher bewegte. Wie
Rainer Metzger im Katalog informiert, ist der Klassizismus, die
Glättung und die Abkühlung nach Kubismus, Dada und Expressionismus, der
Zeitgeist – bei Adolf Loos ebenso wie bei Pablo Picasso. Und so wird
nicht mehr verschwiegen, dass nicht nur Anton Faistauer oder Josef
Dobrowsky rückwärtsgewandte Wege suchten, sondern auch Emigranten wie
Wilhelm Thöny oder Kokoschka. Dies beantwortet die beinahe unglaubliche
Tatsache, dass weder der Surrealist Wolfgang Paalen – Erfinder der
Technik der Fumage – in Mexiko, noch die Klien in den USA ihre Karriere
fortsetzen konnten.
Eine Schau, die mit vielen keinen Schritten anhand von 150 Bespielen
(aus verschiedenen Sammlungen) mit Malerei, Grafik, Skulptur,
Fotografie, Plakat oder Collage die Stellung Österreich in der
internationalen Kunst definiert.
Zwischen den Kriegen
Kuratorinnen: Cornelia
Cabuk, Birgit Laback
Leopold Museum
Zu sehen bis 28. Jänner
Faszinierende Umbrüche.
Donnerstag, 20. September 2007