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Kunstberichte

Masse, Macht und Jonnys Skandal

Das Leopold Museum zeigt die Ausstellung "Zwischen den Kriegen. Österreichische Künstler 1918–1938"
Illustration
- Herbert Bayer: „Lonely Metropolitan“ (1932, Fotomontage).  Foto: VBK Wien/Galeria Martin Suppan

Herbert Bayer: „Lonely Metropolitan“ (1932, Fotomontage). Foto: VBK Wien/Galeria Martin Suppan

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Österreichs Kunstszene nach dem Ersten Weltkrieg war vielschichtiger, als es international und wahrscheinlich auch national bekannt ist. Natürlich gab es restaurative Tendenzen und klassizistische Neigungen, die schließlich in die Nazikunst mündeten, aber es gab mit der Gruppe der Kinetistinnen oder mit Friedrich Kiesler, Wolfgang Paalen und Herbert Bayer auch abstrakte Avantgardisten.

Den schlechten Ruf der Zwischenkriegszeit will das Leopoldmuseum, gemäß seines Sammlungsschwerpunkts, nun durchkreuzen – und: Es gelingt!

Im ganzen zweiten Obergeschoß werden die Neue Sachlichkeit, der expressive Kolorismus, der magische Realismus und Gruppen wie der Bund Neuland, der Hagenbund oder die genannten Kinetistinnen sowie der Nötscher Kreis samt Herbert Boeckl präsentiert. Die dezenten Wandfarben wechseln nach Themen, die einzige Ausstellungsarchitektur stammt von Kiesler. Als Nachbauten sind die Möbel und Hängekonstruktionen sehr gut nutzbar.

Künstlerinnen wie Erika Giovanna Klien, Friedl Dicker, Greta Freist oder Helene Funke bekommen in dieser Ausstellung endlich den Stellenwert ihrer Kollegen, was ihnen lange versagt geblieben war. Aber auch Einzelgänger wie Rudolf Wacker oder der Nachtmagier Franz Sedlacek spielen auf.

Die Bilder zum Opernskandal

Otto Rudolf Schatz, Carry Hauser und Bettina Ehrlich-Bauer kommentieren mit ihren Gemälden Ernst Kreneks skandalumwitterte Erfolgsoper "Jonny spielt auf" – neben dem umstrittenen Jazz sind aber auch die Industrie und das soziale Elend der Arbeitslosen Themen für die sogenannten Sachlichen.

Zukunftsweisendes steht beharrlich Altmodischem gegenüber, aber es ist keineswegs nur barocker Aufguss, der die Österreicher bewegte. Wie Rainer Metzger im Katalog informiert, ist der Klassizismus, die Glättung und die Abkühlung nach Kubismus, Dada und Expressionismus, der Zeitgeist – bei Adolf Loos ebenso wie bei Pablo Picasso. Und so wird nicht mehr verschwiegen, dass nicht nur Anton Faistauer oder Josef Dobrowsky rückwärtsgewandte Wege suchten, sondern auch Emigranten wie Wilhelm Thöny oder Kokoschka. Dies beantwortet die beinahe unglaubliche Tatsache, dass weder der Surrealist Wolfgang Paalen – Erfinder der Technik der Fumage – in Mexiko, noch die Klien in den USA ihre Karriere fortsetzen konnten.

Eine Schau, die mit vielen keinen Schritten anhand von 150 Bespielen (aus verschiedenen Sammlungen) mit Malerei, Grafik, Skulptur, Fotografie, Plakat oder Collage die Stellung Österreich in der internationalen Kunst definiert.

Zwischen den Kriegen

Kuratorinnen: Cornelia

Cabuk, Birgit Laback

Leopold Museum

Zu sehen bis 28. Jänner

Faszinierende Umbrüche.

Donnerstag, 20. September 2007


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