Salzburger Nachrichten am 8. März 2006 - Bereich: Kultur
Zeitlos verrückte Liebe

Das BA-CA Kunstforum Wien zeigt wieder einmal eine private Sammlung: Das Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch aus Berlin sammelt surreale Kunst.

ERNST P. STROBLWIEN (SN). Das Kunstforum der Bank Austria Creditanstalt hat nach den erfolgreichen Präsentationen von privaten Sammlungen wie etwa der Kollektion von Bernard Picasso oder der Sammlung Im Obersteg erneut Kunstliebhaber gewinnen könne, ihre "Verrückte Liebe" - so der Ausstellungstitel - der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Berliner Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch sammelt seit Jahrzehnten alles, was dem Surrealismus zuzurechnen ist. Bis 18. Juni sind Werke von 54 Künstlerinnen und Künstlern im Kunstforum zu sehen, Bilder, Zeichnungen, Skulpturen, aber auch Fotografien und Dokumente.

Der Surrealismus ist nicht etwa mit Salvador Dali untergegangen oder nach dem Tod André Bretons. Auch heute noch fasziniert die fantastische Wahrnehmung der Welt und der Gegenstände und inspiriert Künstler, Dinge in ungewohnte Zusammenhänge zu stellen.

Als Beispiel heutiger "surrealer" Kunst sind in der Ausstellung zwei Werke von Rebecca Horn zu sehen, eine reizende, bewegliche Schmetterlingsschaukel und ein Telefon mit Elektromotor, das sich ebenfalls bewegt. Dieses Telefon ist ausgerechnet neben einem lebensgroßen Polizisten angebracht, den Duane Hanson 1993 aus Fiberglas verfertigte und der nicht ungefährlich dreinschaut, sich aber natürlich nicht rührt. Bewegliche Kunst schuf - allerdings schon in den fünfziger Jahren - auch Alexander Calder; zwei seiner Mobiles hängen an der Decke.

Das Ehepaar Pietzsch sammelte quer durch die Kunstgeschichte, mit Leidenschaft und Sinn für Geschichten hinter der Kunst. Im Zentrum steht Max Ernst, dem die Sammler 1972 noch persönlich begegneten. Er war sozusagen daran schuld, dass das Ehepaar Pietzsch sich auf den Surrealismus konzentrierte. Vorher hatte man gekauft, was gefiel. Von jedem Künstler ein Werk, lautete in den 60er Jahren die Devise. Das Geld dafür verdiente man im Kunststoffhandel. Mittlerweile umfasst die Pietzsch-Sammlung mehrere hundert Exponate.

Nicht nur die Sammler haben eine persönliche Beziehung zu ihren Werken aufgebaut, auch die Künstler untereinander waren mitunter eng verbunden. Frida Kahlos besonders schönes Bleistift-Selbstporträt hängt neben dem Aquarell "Blumenverkäuferin" von Diego Riviera, es gibt auch noch eine Fotografie, wo das nicht unkomplizierte Paar abgebildet ist.

Biografische Verschränkungen gibt es auch bei Max Ernst. Seine dritte Ehefrau, Peggy Guggenheim, hatte Werke in ihrem Museum ausgestellt, die nun zur Sammlung Pietzsch gehören. Außerdem ist auch Ernsts vierte Ehefrau, die Malerin Dorothea Tanning, mit einem Ölbild vertreten. Und: Den Sammlern gelang es, die berühmten "Capricorn"-Skulpturen von Max Ernst zu erwerben, allerdings die Fragmente. Auf einem Foto stehen sie noch im Original und komplett gemeinsam mit dem Künstler vor dem Haus in Arizona.

Neben Max Ernst ragen noch Namen wie Salvador Dali, Picasso, Yves Tanguy oder Giacometti von der "Gründergeneration" hervor. Beeindruckend ist übrigens der umfassende Überblick über die amerikanischen "Surrealisten", von Mark Rothko über Robert Motherwell bis Willem de Kooning. Es sind nicht durchgehend Spitzenwerke der Kunstgeschichte, sie zeigen aber einen wichtigen Teil derselben.Info: www.ba-ca-kunstforum.at