Tauchgang im Rindsgulasch
Von Claudia Aigner
Dereinst mag er ja noch mit Leib und Leben in die Aktionen
des "Schlachtvieh-Choreographen" Hermann Nitsch hineingestiegen sein.
Heute betritt Heinz Cibulka so ein monumentales "Rindsgulasch" nur noch
mit seinem Fotoapparat. Und bringt von dort, wo es vielen den Magen
umdreht wie eine Betonmischmaschine, dokumentarisch gesittete Fotos mit,
die das wüste Mythenmassaker zu einem feierlichen, stummen und eigentlich
schon überzeitlichen Pathos einfrieren. So ist das Gulasch dann wenigstens
nicht mehr ganz so "brechreizend". Die Fotogalerie Wien (Währinger
Straße 59) präsentiert nun bis 3. März markante Ausschnitte aus dem Werk
von Heinz Cibulka. Und der hat ja nicht nur mit dem (was jetzt im rein
fleischlichen Sinne gemeint ist:) "Rinder- und Schweinepriester der
Nation" zu tun, auch wenn natürlich auch Cibulka in seiner Fotokunst ein
reges Interesse für die "Körpersprache" zeigt (für Stoffwechsel,
Sexualität und alle anderen Lebensäußerungen). Zurecht bekannt ist Cibulka
wegen seiner "Bildgedichte": Jeweils vier betont simple Fotos prallen
spannungsgeladen und vielfach mit schockierendem Humor aufeinander. "Aus
Nachbars Garten": Ein kitschig-süßlicher Christus (offenbar in
Gethsemane-Stimmung), schräg gegenüber ein schlafender Bub mit einer
Schramme am Knie (in dieser Umgebung ein regelrechter "Schmerzensbub") und
daneben ein Würstel mit Senf, bei dessen Anblick einem nun fast
notgedrungen einschießt: Das ist ein Schwein am Ende seiner
Passionsgeschichte. Zu dieser Assoziation ist man aber nicht verpflichtet.
Und in "Most fühlt" bringt einen die Seite aus dem Anatomiebuch, wo
man über den weiblichen Brustkorb aufgeklärt wird, schon so weit, dass man
den beiden Kasnudeln, die daneben im Kochtopf schwimmen, ohne weiteres
einen BH anziehen würde. Cibulka regt freilich lediglich an und der
Betrachter darf dann selber "weitermachen". (Das ist eindeutig ein
Qualitätsmerkmal.) Das gilt auch für seine am Computer digital
"zusammengeklebten", dichten Fotocollagen, die von Mal zu Mal flüssiger
und souveräner werden. Kompositorisch und farblich aufregend.
Geburtenkontrolle: Über einem chinesischen Hochzeitspaar schwebt das eine
genehmigte Kind. Ob die geisterhaft auf den Bräutigam projizierte Frau und
das auf die Braut geworfene männliche Fortpflanzungsgerät wohl die Anima
und der Animus der Brautleute sind? Ohrschmuck kann durchaus ein
ziemlich intimes Verhältnis mit einer Radiernadel haben und dann
künstlerisch (und gekonnt) zerkratzt sein. Doris Betz, die drei Monate
lang in Wien "Artist in Residence" gewesen ist, zeigt in der
Schmuck-Galerie V&V (Bauernmarkt 19) noch bis 3. März die bruchsichere
(wegen des hohen Kunststoffanteils) und fantasievolle Ausbeute dieses
Aufenthalts. Die Highlights: jene Ketten, die den Charme und die
Lebendigkeit einer freihändigen Zeichnung besitzen. Und besonders jenes
Exemplar, wo Betz das Phänomen Kette mit dem Akzent an einer unüblichen
Stelle artikuliert, nämlich nicht mit der Betonung vorne in der Mitte,
sondern bereits dort, wo die Kette gerade erst beim Nacken herunterkommt.
Erschienen am: 23.02.2001 |
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