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Ausstellungen 
   
   
  69  Maria Eichhorn  Meike Schmidt-Gleim  
    Kunstverein Salzburg, von 10.02.1998 bis 19.04.1998
   
   
Bessere Maltische, zwei Diaprojektoren, der documenta 5-Katalog, Zeitschriftenjahrbücher, Ringbuch-Ordner, ein Video, sowie das Formular des "Künstler-Verkaufs- und Rechtsabtretungsvertrag" in vielfacher Ausführung, zum Mitnehmen. Nüchtern, geradezu spröde wirkt die Ausstellung von Maria Eichhorn mir ihren rein funktionalen Bestandteilen. Einzig die Kleiderstange lädt dezent zum Bleiben ein. Nachdem man sich dann gesetzt, das Video gesehen, in den Büchern geblättert hat, tut sich ein spannendes Stück Kunstgeschichte auf, das in seiner Brisanz keineswegs Geschichte ist.

Integrale Bestandteile dieser retrospektiven Materialsammlung sind bezüge zu Protagonisten der siebziger Jahre-Kunstszene: Neben dem Linksaktivist und Kunsthändler Seth Siegelaub die Künstler Hans Haacke, Joseph Beuys, Lawrence Weiner und Daniel Buren.

Jüngere Künstler verwenden immer wieder Legitimationspotential älterer und anerkannterer Kollegen. Die abgesicherten Werke bilden Referenzpunkte in der eigenen Produktion, sie zitieren aus deren Praxis und fügen ihre Arbeiten darüber in den Kanon ein.

So auch Maria Eichhorn. Sie positioniert sich im Austausch mit Haacke oder Buren, aber mit einem wesentlichen Unterschied: Der Gegenstand ihres Rückgriffs ist nicht die künstlerische Arbeit, die jene im Rahmen von Ausstellungen präsentier(t)en. Thema ist vielmehr die individuelle Haltung zu Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs, im konkreten Fall zu vertraglichen und rechtlichen Regelungen von Kunstverkäufen, letztlich also das Verhältnis Künstler/Galerist/Sammler. Etwas, das sonst höchstens peripher in kunsttheoretische Betrachtung einfließt, ist hier ins Zentrum gerückt und zum Ausstellungsgegenstand gemacht.

Ausgangspunkt der Recherche von Maria Eichhorn ist der in der Ausstellung zum Mitnehmen bereitliegende Vertrag. Seth Siegelaub hatte ihn 1971 bei dem Rechtsanwalt Bob Projansky in Auftrag gegeben, um verbindliche Standards bei Kunstverkäufen festzulegen, sogenannte Nachfolgerechte, die eine gewisse Kontrolle von Seiten des Künstlers auch nach dem Verkauf eines Werkes über dieses gewährleisten sollten. Darin enthalten: das Recht, über die Ausstellung des Objektes davon in Kenntnis gesetzt zu werden, ein Veto gegen diese Beteiligung einlegen zu können und – was sich als kontroversiellster Punkt des Vertrages herausgestellt hat – 15% des jeweiligen Wertzuwachses bei einem Weiterverkauf zu erhalten. Durch internationale Promotion, die Übersetzung des Vertrages in vier Sprachen und mehrfache Publikation desselben, wurde er zu einem stehenden (allerdings umstrittenen) Begriff in der Kunstwelt.

In Eichhorns Interviews mit Haacke, Buren und Weiner werden die unterschiedlichen Haltungen deutlich: Haacke arbeitet noch heute mit dem Vertrag, Buren hat ein eigenes, um einiges strengeres Abkommen und Weiner wiederum lehnt jegliche derartige Regelung ab, wie auch das Gros der Kunsthändler, obwohl aus unterschiedlichen Motiven.

Die Ausstellung Eichhorns ist ein Zwischenbericht. Sie stellt bisherige Forschungsergebnisse zur Diskussion, die nachfolgend als Buch erscheinen sollen. Selbst bezieht sie nur indirekt Stellung, sie erklärt die Fragen für relevant, indem sie ihnen eine Ausstellung und ein Buch widmet.

Auch wenn Kunstverkäufe meist im Stillen abgewickelt werden, so sind sie doch ein konstitutives Moment künstlerischer Produktion. Der Vertrag ist nicht einfach nur ein Vertrag, der den Verkauf von Kunst regelt, er hat unmittelbar Implikationen auf das Selbstverständnis des Künstlers, definiert dessen Rolle und damit in weiterer Folge den Kunstbegriff, den er vertritt. (Bei Siegelaub gibt es nur Künstler, Frauen finden als potentielle Witwen Erwähnung). Die Wirkungsweise des Vertrages ist ambivalent. Einerseits bedeutet er Emanzipation von Künstlermystifikationen: Denn er erhebt das Künstlerdasein zum Berufsstand neben anderen. Andererseits distinguiert der Vertrag eindeutig zwischen Befugtem und Unbefugtem und erhebt damit tradierte Ansprüche nach Authentizität und dem Originalkunstwerk.

Die Prinzipien der Vertragsinitiative Siegelaubs wie Künstlersolidarität, Künstler gleich Berufsbild und allgemeinverbindliche ökonomische Regelungen, tauchten in einer etwas anders gearteten Auseinandersetzung jüngst in den Medien auf und verdeutlichen damit auch die Aktualität der Nachfolgerechtsdebatte: in einer Protestveranstaltung forderten deutsche Künstler in Bonn Honorare bei Ausstellungen in Kunstvereinen.

Und wie die Forderungen des Vertrages, so ist auch dieser Protest Konfliktstoff in Künstlerkreisen, denn dort sind Solidarität oder auch konkrete Gewerkschaften verpönt. Es geht schließlich immer um das Herausragen aus der Mittelmäßigkeit. Gewerkschaftskünstler sind automatisch schlechte Künstler. Resultat ist ein häufig romantisch verklärtes Verhältnis zu FRagen der ökonomischen Existenz, das in dem Begriff »symbolisches Kapital« so treffend zum Ausdruck kommt. (10. Februar bis 19. April)
 
     

© 1997-99 springerin