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Anna Helwing Der Österreicher Markus Muntean und die Israelin Adi Rosenblum arbeiten seit 1992 zusammen. Markenzeichen des Künstlerduos ist nicht nur die multimediale Arbeitsweise, sondern auch die gezielte Vermischung von historischen und kulturellen Bedeutungsträgern. Formalismen interessieren die beiden aber nur insofern, als sie ihnen ermöglichen, Künstlichkeit und Wirklichkeit einander gegenüberzustellen.
Die beiden Alleskönner

Zu den Installationen von Muntean und Rosenblum

links: Markus Muntean und Adi Rosenblum; Foto: Sens Preusse
rechts: Untitled (Youth is just a brief...), 1999 Acryl auf Leinwand, 180 x 160 cm; alle Werkaufnahmen; Courtesy Georg Kargl, Wien

Ruhig stehen sie da, die jungen und modisch gekleideten Leute in den Zeichnungen von Markus Muntean und Adi Rosenblum, stets vor dem Hintergrund einer Grossstadt oder inmitten einer grünen Landschaft posierend. Ihre Haltung schwankt zwischen natürlicher Lässigkeit und bewusster Selbstinszenierung, ihr leicht melancholischer Blick geht meist über das Bild hinaus und sucht den Kontakt mit dem Betrachter, der eine unendliche Tiefe und Weite darin zu erahnen glaubt. Sätze wie ‹We are the new heaven› oder ‹A sad fact about adult life is that you see the very things you’ll never adapt to coming toward you on the horizon›, die in grossen Lettern unterhalb der Zeichnungen figurieren, scheinen die Gedanken der Jugendlichen wiederzugeben, ein stringenter Zusammenhang zwischen Bild und Text ist jedoch nicht auszumachen.

Die Farbe ist halbdeckend aufgetragen, die Figuren sind mit feinen bis gröberen Pinselstrichen modelliert, porträtiert wurden aber weder Freunde noch erfundene Personen. Nein, das Künstlerpaar nahm trendige Life-Style-Magazine zur Hand und komponierte aus den Foto- und Textvorlagen emblematische Realitäten, welche die medial konstruierten Identitäten der heutigen Teenagergeneration spiegeln. Gezielt inszenieren Muntean/Rosenblum die vom Ästhetikgedanken geprägte Ikonographie der Jugendkultur, die – siehe Sneakers und Trainerjacke – auf dem Grundsatz des ‹Forever Young› beruht und solchermassen ein bestimmtes Lebensgefühl suggeriert. Gerade indem sie auf die Malerei zurückgreifen, die immer noch als authentischste künstlerische Umsetzung von Realitätswahrnehmung gilt, ihr aber die technisch reproduzierte Bildsprache der Massenmedien zugrunde legen und die ‹Originale› auch noch in Form von kleinen Bildbänden in einer 200er Auflage herausgeben, verweisen sie auf die heutige Situation: Jeder glaubt sich selbst zu verwirklichen, im Grunde bewegt man sich jedoch innerhalb eines massenmedial vermittelten Gesellschaftsschemas, das Originalität und Authentizität zwar immer noch zulässt, aber eben unter dem Vorzeichen der Künstlichkeit.

Tableaux Vivants Zwar arbeiten Markus Muntean und Adi Rosenblum mit den verschiedensten Medien – Skulptur, Installation, Performance, Fotografie und Künstlerbuch – und vermischen sie auch gerne, die Malerei nimmt jedoch eine Vorrangstellung ein. Nicht weiter erstaunlich, denn beide wurden an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Malkunst ausgebildet. Ikonographische, stilistische, gattungsspezifische oder kompositorische Fragestellungen dienen ihnen auch heute noch als Folie, die auf alle Werkgruppen appliziert wird.

Beispielsweise die performative Installation ‹Out of Sorts›, 1999, von der nicht nur ein C-Print als eigenständiges Werk existiert, sondern die auch den gleichen Titel trägt wie einer der kleinen Bildbände. Eine junge, mit einer dunklen Kapuzenjacke bekleidete Frau sitzt unbeweglich auf einer an ein Playmobilmodul erinnernden Teichskulptur, die Arme vor der Brust gekreuzt, den Blick starr geradeaus gerichtet. Die Hände und das Gesicht sind mit einer Polyesterpaste beschmiert, was die Frau eher wie eine wächserne Puppe mit Schwimmhäuten aussehen lässt als wie ein lebender Mensch.

Muntean/Rosenblum stellen die unterschiedlichsten Elemente zu einem multimedialen Gesamtbild zusammen, vermischen dabei Qualitäten des Porträts mit denjenigen des Landschaftsbildes, stellen über die mönchskuttenähnliche Rave-Jacke Bezüge zur christlichen Ikonographie der Frührenaissance her und kreieren mit dem sentimentalen Teichmotiv einen künstlichen Pathos, der gerade in der Malerei eine wichtige Rolle spielt. Alles geht letztlich in die Performance über, wird Teil der Aktion im Sinne einer Living Sculpture, um später in Form einer inszenierten Fotografie erhalten zu bleiben. Nicht nur die dynamische Wechselwirkung zwischen den einzelnen Bereichen – zwischen Malerei und Skulptur, Installation und Theater, Fotografie und Inszenierung –, sondern vor allem die Besetzung der Tafel mit Menschen haucht den starren kunsthistorischen Begrifflichkeiten Leben ein und macht aus dem statischen Bild ein Tableau Vivant.

Präzise Mehrdeutigkeit Die beiden ‹Alleskönner›, wie sie sich selbst bezeichnen, operieren ganz bewusst mit ikonographischen Elementen. Sie sampeln historisch und kulturell codierte Motive und generieren solchermassen Oberflächen, die wiederum nach neuen Bedeutungszuweisungen verlangen. Zum Beispiel die Fotos, auf denen schöne junge Modelle zu sehen sind, die jedoch einen mit Schnittwunden übersäten Körper haben. Einerseits orientieren sich die Aufnahmen an der Ästhetik der Modefotografie, die auf die Inszenierung des perfekten Körpers abzielt, andererseits werden Verletzungen gezeigt, die dem Ideal der körperlichen Vollkommenheit diametral entgegen stehen.

Nüchtern greifen Muntean/Rosenblum mit dem an die Wundmale Christi erinnernden Narben-Motiv auf traditionelle Pathosformeln des Christentums zurück und transferieren sie in die heutige Zeit. Nach wie vor wird der Betrachter von diesen Bildern unmittelbar ‹berührt›, denn die Wunden wirken, auch wenn sie nur aufgeschminkt sind, täuschend echt. Letztlich ist es gerade das, was Muntean/Rosenblum interessiert: Die Form als künstlicher Auslöser von realen Emotionen. Dabei wird Schein zu Sein, Künstlichkeit zu Wirklichkeit, was bleibt ist die Mehrdeutigkeit.

Symbiose Fliessende Grenzen zeichnen nicht nur den Werkkörper von Markus Muntean und Adi Rosenblum aus, sondern auch ihre Arbeitsweise ist geprägt durch den Gedanken der Symbiose. Ursprünglich teilten sie sich nur das Atelier, die gegenseitige Unterstützung nahm aber schnell professionelle Züge an. Heute ist es so, dass nicht mehr genau eruiert werden kann, wer von beiden was gemacht hat. Die Zeichnungen beispielsweise wandern zwischen ihnen mehrmals hin und her – zwar immer mit Rücksicht darauf, was der andere besonders gut kann, ohne aber feste Regeln daraus ableiten zu wollen –, um das Maximum aus der Arbeit herauszuholen. So entsteht der unverkennbare Muntean/Rosenblum-Stil, dessen konzeptuelle Grundlage schon in dem handgemalten, jedoch technisch vervielfältigten Künstler-Logo zutage tritt: Individuell und dennoch multiplizierbar.

Prägend für ihr Arbeitsverständnis war wohl die Erfahrung, die Muntean/Rosenblum mit ihrem selbstorganisierten Ausstellungsraum ‹Bricks&Kicks› zwischen 1994–1998 machten. Aus Unzufriedenheit mit der ‹Ist›-Situation in Wien schufen sie sich kurzerhand ihre eigenen Strukturen und luden ausländische Künstler ein, in gemeinsamer Regie den Raum zu bespielen. Getragen von der Idee der Vernetzung und des Austausches von Informationen, funktionierte der artist space – immer als künstlerisches Projekt von Muntean/Rosenblum verstanden – grundsätzlich durch Partizipation. Das Schaffen eines Ambientes ist noch heute ein Bestreben von Muntean/Rosenblum. Dies verleiht ihren Arbeiten eine ganz bestimmte Atmosphäre, die man auch, um mit den Worten der Malerei zu sprechen, als Aura bezeichnen könnte.

Die Ausstellungen von Muntean/Rosenblum ‹I always tell you the truth unless of course I am lying to you...› im Kunsthaus Glarus und ‹Where else› in der Secession in Wien laufen noch bis zum 19.3. Anlässlich der beiden Präsentationen ist ein gemeinsamer Katalog mit Texten von Dominique Molon und Beatrix Ruf erschienen.

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Ausgabe: 03 / 2000
Ausstellung: ( - )
Institution: Kunsthaus (Glarus)
Autor/in: Anna Helwing
Künstler/in: Markus Muntean , Adi Rosenblum