Christoph Büchel,
Installation aus "Shelter", 2002 |
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Ausstellung Ausstellungsbeteiligungen verhökert Von Katja Blomberg 9. April
2002 Seit fast einem Jahr laufen
die Vorbereitungen für die vierte Ausgabe der europäischen Biennale
für Zeitgenössische Kunst, Manifesta, in Frankfurt auf Hochtouren.
Aus 1.000 Bewerbungen wählten drei internationale Kuratorinnen 70
Teilnehmer aus. Noch bevor die junge Biennale an unterschiedlichen
Orten der Mainmetropole ihre Tore Ende Mai eröffnet, ist nun ein
Künstler mit einem Batzen Geld in der Tasche abgesprungen.
Christoph Büchel hat seine Teilnahme an der
Manifesta 4 über den Internetauktionator ebay verkauft. Statt seiner
kommt die New Yorker Künstlerin Sal Randolph an den Main. An diesem
Dienstag nimmt sie erste Gespräche mit den Veranstalterinnen auf.
Marktwert einer
Ausstellungsbeteiligung
Als die drei Kuratorinnen aus
Sofia, Paris und Barcelona den 35-jährigen Schweizer Konzeptkünstler
Christoph Büchel zur Teilnahme in Frankfurt einluden, dachten sie
vielleicht, er würde wieder eines seiner chaotischen Zimmer
einrichten, in denen er das Leben fiktiver Benutzer als Gefängnis
ihrer psychischen Zwänge inszeniert. Doch die Offenheit, mit der die
70 internationalen Künstler eingeladen waren, möglichst Neues für
die Frankfurter Manifesta zu erdenken, veranlasste Christoph Büchel
zu einer ungewöhnlichen Idee: Noch bevor er mühsam Objekte sammeln
und kunstvoll arrangieren sollte, brachte er seine Einladung
meistbietend auf den Markt. Dass er das Gesamtprojekt „Manifesta“
damit eher stützte, als es zu Fall zu bringen, war kalkulierbar,
denn wer sollte mehr Interesse an seinem Angebot haben, als wieder
ein Künstler?
Im Herzen der deutschen
Finanzwelt ermittelte Büchel den Marktwert seiner Beteiligung. Er
bot die Eintrittskarte zu der wohl wichtigsten Ausstellung für
Nachwuchskünstler in Europa weltweit an. Mit dem Höchstgebot strich
er schließlich 15.000 US-Dollar ein. Normalerweise steigen die
Preise erst nach einer Ausstellung. Hier hat ein Zeitgenosse die
Wettbewerbsmechanismen, die auch den Kunstmarkt beherrschen,
ausgenutzt, umgemünzt und bloßgestellt, indem er die pure Chance zur
Veröffentlichung eines Kunstwerkes wie eine hochdotierte Aktie
verkaufte.
Mechanismen der freien
Marktwirtschaft
Kunst und Kommerz ist ein
Thema dieses Ausstellungsfrühlings in Hamburg und Wien. Christoph
Büchel ist es auf einmalig subversive, aber auch gefährliche Weise
in Frankfurt gelungen, beides zur Deckung zu bringen. Einmalig
deshalb, weil kein zweiter Künstler dieses Konzept kopieren wird,
ohne sich in der Szene lächerlich zu machen. Gefährlich deshalb,
weil Büchel selbst nie mehr zu einer Ausstellung eingeladen wird,
ohne dass die Veranstalter bangen müssen, dass sein Beitrag nur auf
dem Konto des Künstlers, nicht aber vor dem Publikum zu sehen sein
wird.
Wie der Generalkoordinator
der Manifesta 4, Martin Fritz, gegenüber FAZ.NET in Frankfurt
betonte, sei Büchels Projekt in vollem Einvernehmen mit den
Kuratoren durchgeführt worden. Die Kuratorinnen ließen sich auf sein
„Spiel“ ein, das einen unbekannten Teilnehmer einwechselt. Sie
machten deutlich, dass das gezahlte Geld Teil des künstlerischen
Konzeptes und damit Eigentum des Künstlers und nicht der
Veranstalter bleibt. Allerdings haben die Kuratorendamen sich ein
Veto-Recht in Bezug auf den neuen Teilnehmer, der nun eine
Teilnehmerin ist, vorbehalten.
An diesem Dienstag beginnen
die Verhandlungen. Man darf gespannt sein, wie die eingekaufte
Harvard-Absolventin, Initiatorin des eben in New York angelaufenen
Projektes „The Free Word Project“ und Konzeptkünstlerin Sal Randolph
mit der Manifesta 4 ins Geschäft kommt.
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