Als vor etwas mehr als einem
Jahr bekannt wurde, dass die legendäre „Polaroid Collection“ als Teil
der Konkursmasse des pleitegegangenen Sofortbildkonzerns bei Sotheby’s
New York versteigert werden sollte, ging ein Aufschrei durch die
internationale Fotoszene. Angeführt vom US-Künstler Chuck Close, dessen
eigene Werke Teil der Sammlung sind, protestierten Künstler, Museen und
Fotoliebhaber weltweit gegen den Ausverkauf von über 16.000 Fotografien
mit Polaroid-Materialien, die teils unter Einsatz einer weltweit nur
wenige Male vorkommenden 20-mal-24-Kamera im Rahmen eines elitären
künstlerischen Sonderprogramms entstanden waren. Die auf diese
Weise zustande gekommene Sammlung sei in der Fotogeschichte
einzigartig, ein Verkauf kriminell, so Close.
Schließlich konnte
man einen Teilerfolg erzielen. Zwar kamen noch im Juni 2010 bei einer
zweitägigen Auktion 1200 Spitzenwerke aus dem amerikanischen Segment
der von Polaroid-Gründer Edwin H. Land initiierten Sammlung unter den
Hammer – darunter vor allem die Arbeiten von Stars der Fotogeschichte
wie Ansel Adams, Robert Mapplethorpe, Chuck Close, William Wegman,
Robert Frank, David Hockney u. a. Gut die Hälfte davon konnte verkauft
werden, das Ergebnis der Auktion lag bei stolzen 12,5 Millionen Dollar.
Die Filettierung des europäischen Segments, das seit 1990 im Musée de
l’Elyssée in Lausanne untergebracht war, ließ sich hingegen durch ein
von William Ewing, dem damaligen Direktor des Musée d’Elysée,
initiiertes Offert einer Schweizer Investorengruppe fürs Erste
verhindern.
Aufsehenerregender Kunstdeal. Doch
der Coup der Schweizer misslang. In einem langwierigen Bieterverfahren
unterlagen sie der Peter Coeln GmbH/Westlicht, einer Bietergruppe rund
um den Wiener Leica-Shop-Besitzer, früheren Fotografen und Gründer von
„Westlicht. Schauplatz für Fotografie“, der in wenigen Wochen sein
zehnjähriges Bestandsjubiläum feiert. Um gerade einmal 755.000 Dollar
wechselte die Sammlung schließlich den Besitzer. Am 25. Jänner
besiegelte der „United States Bankruptcy Court“ in Minnesota den Deal.
Anfang März trafen einander in Lausanne Barbara Hitchcock, Direktorin
der Polaroid-Collections in Massachusetts, und Peter Coeln mit einem
Kuratorenteam, um die Übergabe zu vollziehen.
Zurzeit geht es in
der Westbahnstraße zu wie in einem Bienenhaus. Dem „Schaufenster“ wurde
dennoch Zutritt gewährt. Fürs Erste gilt es, die Sammlung zu
inventarisieren und restauratorisch zu sichern. Vor wenigen Tagen erst
hat ein Kunsttransporter mit insgesamt knapp 4400 Polaroid-Arbeiten
unterschiedlichsten Formats von rund 800 teils weltberühmten, teils
weniger bekannten Fotografen den Zoll passiert. Jetzt lagern die Werke
in Planschränken oder sind sorgsam in Archivboxen verstaut.
Hier
finden sich selbstverständlich große Namen wie Warhol, Adams, White,
Wegman, Newton, Mapple-thorpe, Levinthal und als einziger Österreicher
Gottfried Helnwein. Eine spezielle Rarität sind die
20-mal-24-Zoll-Großformate. Aufträge dafür hatten Konzernchef Land und
sein künstlerischer Berater Ansel Adams nur an handverlesene Fotografen
vergeben. Sie waren bei der Arbeit mit einem Material, das im freien
Handel nicht erhältlich ist und für dessen Verarbeitung weltweit nur
ganz wenige Kameras existieren, europaweit vom tschechischen Fotografen
Jan Hnizdo betreut und unterstützt worden.
Ein fotohistorischer Meilenstein.
„Es sind aber nicht die großen Namen, die mich vorrangig
interessieren“, sagt Peter Coeln. „Die Stärke des Mediums liegt für
mich vor allem in den unbekannten, auf dem Kunstmarkt nicht vertretenen
Fotografen. Das Medium birgt ein gewaltiges Potenzial und hat vor allem
seit den 1970er-Jahren spannende Experimente ausgelöst, von Foto- und
Materialcollagen über Inszenierungen bis hin zu extrem aufwendigen
Stilllebenarrangements“, sagt Coeln und erklärt: „Unter diesem Aspekt
waren die Künstler und Fotografen, die in der Collection vertreten
sind, für das Unternehmen auch wichtige Impulsgeber hinsichtlich der
Weiterentwicklung des Materials.“
Dass die Sammlung, die im Zuge
des Insolvenzverfahrens knapp vor dem Aus stand, nun ausgerechnet in
Wien eine Heimstatt gefunden hat, kommt – fotogeschichtlich betrachtet
– einer Sensation gleich, ist doch mit dem Niedergang des Konzerns und
dem Verschwinden eines Materials, das Hobbyfotografen wie Profis
gleichermaßen faszinierte, buchstäblich eine Ära zu Ende gegangen. Die
erste Wien-Präsentation der „Polaroid Collection“ anlässlich des
Zehn-Jahres Jubiläums von Westlicht im Juni, für die gerade fieberhaft
ein Kurator gesucht wird – „Wim Wenders oder Julian Schnabel hätte ich
gern!“ –, markiert auch mit Blick auf die Zukunft einen Wendepunkt.
Denn just von Wien aus werden von einem kleinen, engagierten Team mit
Unterstützung einer Investorengruppe, an der auch der unermüdliche
Foto-Entrepreneur Peter Coeln beteiligt ist, gerade erste Anstrengungen
unternommen, einen Nachfolger für das vom Markt verschwundene Material
zu entwickeln. Erste Erfolge sind schon zu verbuchen, die Fotowelt kann
aufatmen!