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Sofort Bild: Polaroid Collection

31.03.2011 | 17:48 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Mit dem überraschenden Ankauf der Polaroid Collection durch die Fotoinstitution Westlicht kommt ein Meilenstein der Fotogeschichte nach Wien.

Als vor etwas mehr als einem Jahr bekannt wurde, dass die legendäre „Polaroid Collection“ als Teil der Konkursmasse des pleitegegangenen Sofortbildkonzerns bei Sotheby’s New York versteigert werden sollte, ging ein Aufschrei durch die internationale Fotoszene. Angeführt vom US-Künstler Chuck Close, dessen eigene Werke Teil der Sammlung sind, protestierten Künstler, Museen und Fotoliebhaber weltweit gegen den Ausverkauf von über 16.000 Fotografien mit Polaroid-Materialien, die teils unter Einsatz einer weltweit nur wenige Male vorkommenden 20-mal-24-Kamera im Rahmen eines elitären künstlerischen Sonderprogramms entstanden waren.  Die auf diese Weise zustande gekommene Sammlung sei in der Fotogeschichte einzigartig, ein Verkauf kriminell, so Close.
Schließlich konnte man einen Teilerfolg erzielen. Zwar kamen noch im Juni 2010 bei einer zweitägigen Auktion 1200 Spitzenwerke aus dem amerikanischen Segment der von Polaroid-Gründer Edwin H. Land initiierten Sammlung unter den Hammer – darunter vor allem die Arbeiten von Stars der Fotogeschichte wie Ansel Adams, Robert Mapplethorpe, Chuck Close, William Wegman, Robert Frank, David Hockney u. a. Gut die Hälfte davon konnte verkauft werden, das Ergebnis der Auktion lag bei stolzen 12,5 Millionen Dollar. Die Filettierung des europäischen Segments, das seit 1990 im Musée de l’Elyssée in Lausanne untergebracht war, ließ sich hingegen durch ein von William Ewing, dem damaligen Direktor des Musée d’Elysée, initiiertes Offert einer Schweizer Investorengruppe fürs Erste verhindern.

Aufsehenerregender Kunstdeal. Doch der Coup der Schweizer misslang. In einem langwierigen Bieterverfahren unterlagen sie der Peter Coeln GmbH/Westlicht, einer Bietergruppe rund um den Wiener Leica-Shop-Besitzer, früheren Fotografen und Gründer von „Westlicht. Schauplatz für Fotografie“, der in wenigen Wochen sein zehnjähriges Bestandsjubiläum feiert. Um gerade einmal 755.000 Dollar wechselte die Sammlung schließlich den Besitzer. Am 25. Jänner besiegelte der „United States Bankruptcy Court“ in Minnesota den Deal. Anfang März trafen einander in Lausanne Barbara Hitchcock, Direktorin der Polaroid-Collections in Massachusetts, und Peter Coeln mit einem Kuratorenteam, um die Übergabe zu vollziehen.
Zurzeit geht es in der Westbahnstraße zu wie in einem Bienenhaus. Dem „Schaufenster“ wurde dennoch Zutritt gewährt. Fürs Erste gilt es, die Sammlung zu inventarisieren und restauratorisch zu sichern. Vor wenigen Tagen erst hat ein Kunsttransporter mit insgesamt knapp 4400 Polaroid-Arbeiten unterschiedlichsten Formats von rund 800 teils weltberühmten, teils weniger bekannten Fotografen den Zoll passiert. Jetzt lagern die Werke in Planschränken oder sind sorgsam in Archivboxen verstaut.
Hier finden sich selbstverständlich große Namen wie Warhol, Adams, White, Wegman, Newton, Mapple-thorpe, Levinthal und als einziger Österreicher Gottfried Helnwein. Eine spezielle Rarität sind die 20-mal-24-Zoll-Großformate. Aufträge dafür hatten Konzernchef Land und sein künstlerischer Berater Ansel Adams nur an handverlesene Fotografen vergeben. Sie waren bei der Arbeit mit einem Material, das im freien Handel nicht erhältlich ist und für dessen Verarbeitung weltweit nur ganz wenige Kameras existieren, europaweit vom tschechischen Fotografen Jan Hnizdo betreut und unterstützt worden.

Ein fotohistorischer Meilenstein. „Es sind aber nicht die großen Namen, die mich vorrangig interessieren“, sagt Peter Coeln. „Die Stärke des Mediums liegt für mich vor allem in den unbekannten, auf dem Kunstmarkt nicht vertretenen Fotografen. Das Medium birgt ein gewaltiges Potenzial und hat vor allem seit den 1970er-Jahren spannende Experimente ausgelöst, von Foto- und Materialcollagen über Inszenierungen bis hin zu extrem aufwendigen Stilllebenarrangements“, sagt Coeln und erklärt: „Unter diesem Aspekt waren die Künstler und Fotografen, die in der Collection vertreten sind, für das Unternehmen auch wichtige Impulsgeber hinsichtlich der Weiterentwicklung des Materials.“
Dass die Sammlung, die im Zuge des Insolvenzverfahrens knapp vor dem Aus stand, nun ausgerechnet in Wien eine Heimstatt gefunden hat, kommt – fotogeschichtlich betrachtet – einer Sensation gleich, ist doch mit dem Niedergang des Konzerns und dem Verschwinden eines Materials, das Hobbyfotografen wie Profis gleichermaßen faszinierte, buchstäblich eine Ära zu Ende gegangen. Die erste Wien-Präsentation der „Polaroid Collection“ anlässlich des Zehn-Jahres Jubiläums von Westlicht im Juni, für die gerade fieberhaft ein Kurator gesucht wird – „Wim Wenders oder Julian Schnabel hätte ich gern!“ –, markiert auch mit Blick auf die Zukunft einen Wendepunkt. Denn just von Wien aus werden von einem kleinen, engagierten Team mit Unterstützung einer Investorengruppe, an der auch der unermüdliche Foto-Entrepreneur Peter Coeln beteiligt ist, gerade erste Anstrengungen unternommen, einen Nachfolger für das vom Markt verschwundene Material zu entwickeln. Erste Erfolge sind schon zu verbuchen, die Fotowelt kann aufatmen!


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