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Barock Around The Clock

Aufzählung (cai) Würden sie weiße Tiger zähmen, dann würden sie natürlich Siegfried und Roy heißen. Aber weil sie weiße Leinwände bändigen (na ja, sie malen sie halt voll), handelt es sich um das Duo Muntean/Rosenblum. Äh, diese eineinhalb Gesangskomiker malen jetzt auch? Nein, denn in dem Fall wären ihre Namen ja Muckenstruntz und Bamschabl. Sollten sie bei der Arbeit überhaupt was singen, würd’ sowieso was Deprimierendes besser passen. Das "Trinklied vom Jammer der Erde". Lustig sind die Bilder jedenfalls nicht. Die erinnern uns daran (manche sehr plakativ mit Totenköpfen), dass alles ein Ende hat. Nur die Wurscht endet bekanntlich zwei mal. (Nämlich oben und unten.)

Und der kolossale Müllhaufen, den sie beim Kargl hinterlassen haben? Das muss ein sogenanntes Opus magnum sein. Den Berg aus zertrümmerten Kisten hat sogar einer bestiegen. Ein Apokalyptiker. Der hat da droben zur Eröffnung eine pessimistische Rede gehalten. Beschützt von Ordnungskräften in voller Endzeitschlachtmontur. Ach, falls radikale Optimisten im Publikum gewesen wären? Anhänger vom Gottfried Wilhelm Leibniz ("Die Welt ist die beste aller möglichen Welten") hätten ihn ja sicher mit harten Leibniz-Butterkeksen beworfen. Die Malerei zumindest ist eh nicht tot. (Sie riecht nur ein bissl komisch.) In sauber gemalte Alltagsszenen mischen sich Simulanten, die dick auftragen und barocke Konvulsionen haben. Die Jugend von heute leidet mit altmeisterlichem Pathos. Und die Untertitel lassen das Hirn angenehm rotieren. Lebensweisheiten stehen da wie: dass die einzigen interessanten Antworten die sind, die die Frage zerstören. Hä? Auf dem Bild öffnet doch bloß einer den Kühlschrank. Lautet die Frage etwa: Was gibt’s zum Abendessen? Tja, Kunst ist, wenn man – trotzdem nicht lacht? Nein, wenn man nicht alles verstehen muss, um es dann erst recht nicht zu kapieren.

Georg Kargl Fine Arts
Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien
Muntean/Rosenblum, bis 14. August
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Fotos mit Ölmarinade

Aufzählung (cai) Fotos, die als alte Ölschinken verkleidet sind: Transvestiten? Falsch: Piktorialismus! Um zu beweisen, dass Fotografien eh Kunst sind, hat man um 1900 einen irrsinnigen Aufwand getrieben, damit sie so pittoresk wie möglich aussehen. (Und wenn die Maler später fotorealistisch malen, ist das wohl ausgleichende Ironie.) In der Kargl Box kann man die Werke eines wahren Pioniers (Heinrich Kühn) anstaunen. Genreszenen, Porträts, Akte. Mit Impressionismus-Effekt. Heute macht man so was ja brutal mit Photoshop. Diese Fotos haben noch echte Zuwendung bekommen.

Georg Kargl Box
Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien
"Einmal KÜHN, immer KÜHN", bis 14. August
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Rushhour im Malkasten

Aufzählung (cai) Man fühlt sich wie Herkules am Scheideweg. Links biegt man in die Völlerei ab, rechts geht’s zum Abspecken. Die überladenen Bilder von Ann-Kristin Hamm haben was Bulimisches. Was Polemisches? Nein, was Bulimisches. Die stopfen einen mit harmlosen bunten Mustern voll, bis man sich nur noch den Finger in den Mund stecken will. (Oder ins Aug’?) Im wuchernden Dekor erkennt man plötzlich abgespannte Regenschirme: Aha, ein Schönwetterbild. Secundino Hernández hingegen setzt die Kunst einprägsam auf Diät. Ja, auf dem fahrigen Gekritzel, wo sich die menschliche Anatomie in Chaos auflöst, picken auch fette Farbpatzen drauf. Weil die Bilder Kunstwerk und Palette in einem sind. Simpel, aber wirkungsvoll. Sprengt da einer die figurative Malerei in die Luft?

Galerie Krinzinger
Seilerstätte 16, 1010 Wien
Ann-Kristin Hamm, S. Hernández, bis 13. August
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 04. August 2010
Online seit: Dienstag, 03. August 2010 17:39:00

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