Regina Maria Anzenberger, Uwe Schögl (Hrsg.), "Ferdinand Schmutzer. Das fotografische Werk 1894-1928". € 81,30 / 225 Seiten. Moser, München 2008.
Die Ausstellung mit Fotos von Schmutzer ist in der AnzenbergerGallery bis 31. Januar 2009 zu sehen; werktags 10-18 Uhr, Zeinlhofergasse 7, 1050 Wien. www.anzenbergergallery.com
Ferdinand Schmutzer wurde zur richtigen Zeit, 1870, in eine ungewöhnliche Familie mit künstlerischer Tradition und am rechten Ort - Wien - geboren. Seine Laufbahn schien vorherbestimmt, und tatsächlich machte er sich als Maler und Zeichner bald einen Namen, er gehörte der Secession und dem Künstlerhaus an, ebenso der Berliner Akademie der Künste, und mit 38 wurde er Professor für grafische Künste an der Wiener Bildenden.
Dass er bereits als junger Mann auch mit dem Medium Fotografie arbeitete, blieb angesichts seiner sonstigen Leistungen weniger beachtet. Vor einigen Jahren wurden immerhin etliche Porträtfotos von Schmutzer neu veröffentlicht. Sie zeigten, dass er einige seiner bekanntesten Radierungen (etwa von Freud oder Einstein) nach seinen eigenen Lichtbildern anfertigte.
Der Nachlass Schmutzers, von der Nationalbibliothek angekauft, enthält jedoch ein viel breiteres Spektrum an Arbeiten. Einen Teil machen Regina Maria Anzenberger und Uwe Schögl nun in Buchform und als Ausstellung zugänglich. Lose thematisch gruppiert, führen die Arbeiten einen vielseitigen und experimentierfreudigen, an der Abbildung ebenso wie an der Schaffung von Wirklichkeit interessierten Künstler vor.
Seine Reisen (Holland, Italien, Ungarn, Frankreich etc.) nutzte er für souveräne, bestens komponierte Aufnahmen. Immer mehr jedoch dürften Schmutzer die konkreten Lebensumstände der Abgebildeten interessiert haben, sein Blick schärfte sich in Richtung Sozialreportage, ein nicht eben gängiges Genre für einen Kunstprofessor der Jahrhundertwende.
Was er bis kurz vor seinem Tod vor genau 80 Jahren, im Oktober 1928, produzierte, würde jedem modernen Fotoprofi gut zu Gesicht stehen. Typischer für ihn bleiben dennoch die vielen Fotos, die er in gewohnterer Umgebung gemacht hat. Im Bild hielt er dort fest, was sich etwa bei Doderer, Zweig oder Schnitzler nachlesen lässt. So oder so: In diesem Bild leben viele Geschichten und viel Geschichte auf. (Michael Freund / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10./1.11./2.11.2008)