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Galerien: Von wegen böser Kapitalismus

02.04.2008 | 18:05 | MANISHA JOTHADY (Die Presse)

Künstler als Unternehmer: Joe Scanlan in Galerie Martin Janda.

„Innovation“ und „schöpferische Zerstörung“. In wirtschaftspolitischen Debatten gehören die Begriffe zum ABC. Joseph Schumpeter (1883–1959) beschrieb damit den Prozess, der zum Wirtschaftsaufschwung führt. Im „Innovator“ sah er den schöpferischen Unternehmer, der auf der Suche nach neuen Aktionsfeldern den Prozess der schöpferischen Zerstörung antreibt und die Voraussetzungen für Neues schafft. Veröffentlicht hat der ehemalige Harvard-Professor seine Thesen 1942 in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“, das nun den Ausgangspunkt für Joe Scanlans Neuinterpretation des Verhältnisses zwischen Kunst und Ökonomie bildet.

Durch Wortumstellungen und -ergänzungen hat der US-Künstler (geb. 1961) den Text für die Kunstwelt adaptiert. Als raumgreifende Wandarbeit – die edierten Textstellen sind in blauer Schrift hervorgehoben – präsentiert sich Scanlans Lektüre Schumpeters auch visuell beeindruckend. „Wenn die Kunst anerkennen muss, dass sie nur ein anderer Teil einer allumfassenden Konsumgesellschaft ist“, sagte er in einem Interview, „dann ist ihr einziger Weg zu kultureller Macht, sich in die Gesellschaft einzuklinken“.

In diesem Sinne mimt Scanlan den Kleinunternehmer, entwickelt Strategien zur Selbstvermarktung (wie seine Homepage www.thingsthatfall.com) oder entwirft Warendisplays wie den hier ausgestellten trag- und ausklappbaren Tisch „Traveling Salesman“. Das mit Editionen und Publikationen bestückte Objekt erinnert nicht nur an das antiquierte Bild des Handlungsreisenden. Auch Marcel Duchamp und seine legendäre „Schachtel im Koffer“ fallen einem hier ein.

Mit dem Bild vom Künstler als autonomem Individuum, unabhängig und freischaffend, bricht Scanlan in dieser Schau jedenfalls allemal. Gut so, denn diesem Mythos folgend, wurden die Ressourcen und ökonomischen Bedingungen von Kunstschaffenden zu lange verklärt und tabuisiert.

Bis 12.4., Galerie Martin Janda, Eschenbachgasse 11, Wien 1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2008)


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