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vom 08.10.2005 - Seite 003
Bietet das Lentos zu wenig?

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An den sinkenden Besucherzahlen hat sich in der vergangenen Woche ein misstönender Zank um das Linzer Lentos entzündet. In den ersten neun Monaten des heurigen Jahres zog das Kunstmuseum an der Donau um 33 Prozent weniger Menschen an als im Vergleichzeitraum 2004.

Gerüchte um eine vorzeitige Ablöse der heftig kritisierten künstlerischen Leiterin Stella Rollig wurden von den Stadtpolitikern zurückgewiesen. Ein massenwirksameres Programm fordern sie weiterhin. Denn: Geht das Gezeigte am Publikum vorbei?

DIE SYMBOLE

Ja +

Nein -

Unentschieden o

Lucian Steininger +

ARZT UND KUNSTFREUND

Es bietet zu wenig. Diese Video- und Schnickischnacki-Fotografierkunst ist zwar ganz nett, interessiert aber nur einen ganz ausgewählten Kreis von Leuten. Ich hätte gerne einmal einen Vertreter der Neuen Malerei, etwa einen Attersee.

Frau Rollig muss ich die Stange halten, weil man die Kunstlinie, die sie vertritt, von ihr haben wollte, um sich von üblichen Galerien abzuheben. Das geht vielleicht in New York, Wien, Zürich, aber nicht in Linz.

Machte man einen Mix, etwa einen Lichtenstein oder einen Immendorff und das Videoblimblam der Frau Rollig, könnten alle damit leben.

Lucian Steininger ist Kunstkonsument.

Elsa Prochazka -

ARCHITEKTIN; PROFESSORIN KUNSTUNI LINZ

Das Lentos hat eine solche Größe und Internationalität zu repräsentieren, dass es einfach Zeit braucht, bis Pläne umgesetzt werden. Den Erfolg am Indikator "Besucherzahlen" zu messen und nicht mit dem Umfeld zu relativieren, ist völlig falsch.

Mir scheint, dass im Lentos gerade die Nachhaltigkeit in den Strukturen vorbildlich geschaffen wurde. Nachhaltige Strategien sind ganz andere Qualitäten einer Museumsführung, als schnell und vordergründig eine publikumswirksame Ausstellung zu machen. Viele kommen gerade wegen des Lentos nach Linz.

Elsa Prochazka unterrichtet "raum&designstrategien" in Linz.

Erich Watzl o

VIZEBÜRGERMEISTER & KULTURREFERENT LINZ

Das kommt darauf an, welchen Maßstab man anlegt. Meiner Erwartungshaltung nach ist im Kunstmuseum Lentos sowohl internationalen Highlights als auch österreichischer zeitgenössischer Kunst entsprechend Raum zu geben. Da haben wir seit der Eröffnung schon viel, aber sicher noch nicht alles erreicht.

Als überzeugter Linzer und Kulturreferent werde ich jedenfalls alles daransetzen, die Akzeptanz des Lentos mit attraktiven Ausstellungen und mit notwendigen Marketing-Maßnahmen rasch zu verbessern.

Erich Watzl glaubt, dass noch nicht alles erreicht ist.

Franz Dobusch +

LINZER BÜRGERMEISTER

Als architektonisches Juwel an der Donau werden auch inhaltlich hohe Erwartungen an das Lentos gestellt, die befriedigt werden sollten. Bis jetzt ist das jedoch noch nicht ausreichend geschehen. Für die großen Ausstellungen - Toulouse-Lautrec oder Picasso etc. - waren die Räumlichkeiten der Neuen Galerie im Lentia zu klein.

Darum wurde das Lentos gebaut. Und das ist groß genug, um mehrere Bedürfnisse gleichzeitig abdecken zu können. Das wäre der Wunsch vieler Menschen. Ich hoffe, dass das Programm für 2006 diesem Anspruch gerecht wird.

Dobusch erwartet eine Besuchersteigerung im Jahr 2006.

Dietmar Brehm -

KÜNSTLER

Die Frage ist, ob es das Richtige ist, was man bietet. Für mich persönlich stimmt die Qualität und ich glaube auch nicht an die Milchmädchenrechnung, dass nur gut ist, wo die meisten Leute hineingehen.

Aber es ist immer eine Gratwanderung, manches muss publikumsschnalzender sein. Die Ausstellungen sind zum Teil überlang, es müsste eine raschere Abfolge geben. Wenn man das Haus in kleinere Zonen teilen würde, könne man aktueller reagieren.

Das Mumok Passau zeigt derzeit die erste Brehm-Personale in Deutschland.

Wilhelm Nitterl +

KONZERNSPRECHER VOESTALPINE

Auf Initiative von Peter Strahammer haben die damalige Voest Alpine Stahl und die VA Tech schon den Bau des Lentos mit jeweils zehn Millionen Schilling unterstützt.

Dass die Situation so ist, wie sie ist, liegt offensichtlich daran, dass es am Geld mangelt. Was wir uns vom Lentos wünschen, ist, dass Frau Rollig alle eineinhalb Jahre eine internationale Ausstellung herholt, die über die Region hinaus begehrt ist. Wenn es diese gibt, kann ich mir gut vorstellen, dass die Wirtschaft das sponsert. Ich glaube, dass wir als voest da nicht alleine wären.

Wilhelm Nitterl leitet die Öffentlichkeitsarbeit der voest, dazu gehört auch Sponsoring.

Irene Begsteiger o

LINZ-TOURISTIN

Wir informieren uns derzeit über das kulturelle Angebot des Kunstmuseums. Und komischerweise sieht man nirgends Plakate mit Programmen. Da wir in der Steiermark leben, haben wir natürlich in unserer Hauptstadt auch ein gewaltiges Kulturangebot.

Aber bei dem derzeitigen traumhaften Wetter spazieren wir lieber auf dem Pöstlingberg herum, als ins Lentos zu gehen. Aber trotzdem: Das Kunstmuseum ist ein imposantes Gebäude, vor allem in der Nacht. Wir werden sicher auch mal eine Ausstellung besuchen, am ehesten aber, wenn das Wetter schlecht ist.

Die 45-jährige Steirerin arbeitet als Chemikerin in Frauental.

Gernot Hanke-Peintner +

SCHREIBENDER UND MALENDER

Mich stört vor allem, dass die derzeit ausgestellte Kunst nicht in dieses Gebäude hineinpasst. Wenn der Rahmen im architektonischen Sinne nicht der richtige ist, hat das Bild auch eine andere, veränderte Wirkung auf den Betrachter. Grundsätzlich hat mich noch nie etwas ins Lentos gezogen.

Das ganze Angebot lässt meiner Meinung zu wünschen übrig. Das Einzige, was interessant ist, ist das imposante Gebäude. Die breite Masse wird auch nicht angezogen, das kann aber auch damit zu tun haben, dass bei vielen das Verständnis für die moderne Kunst fehlt.

Der 61-Jährige ist mit der derzeitigen Kunstsituation unzufrieden. Foto: loy

Helmut Ries o

PÄCHTER DES CAFE IM LENTOS

Ich bin jetzt seit Mai Pächter des Cafés und der Meinung, dass in dieser Zeit etwas geboten wurde. Über die Besucherzahlen kann ich nichts sagen, die Führung des Kunstmuseums ist aber sehr kooperativ. Für die Zukunft sind sogar gemeinsame Veranstaltungen geplant.

Durch das Problem, dass Punks den Platz vor dem Lentos belagerten, war sicher weniger los. Die Leute haben sich beschwert und viele kunstinteressierte Touristen machten um das Lentos einen großen Bogen. Wir sind zwar noch in der Aufbauphase, der generelle Zulauf wäre aber sicher da.

Der 33-jährige Helmut Ries führt das Café im Lentos seit sechs Monaten. Foto: loy

Andreas Kastler -

LINZER TOURISMUSDIREKTOR

Das Kunstmuseum Lentos bietet ganz sicher nicht zu wenig. Ich glaube aber, dass es durchaus noch Verbesserungspotenzial im Marketing gibt.

Ganz besonders freue ich mich übrigens schon heute auf die Plakate, die die sensationelle Gottfried-Helnwein-Ausstellung ankündigen werden, die im kommenden März startet.

Andreas Kastler findet nicht, dass das Lentos zu wenig bietet.


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