Quer durch Galerien
Die mit dem Knie denken
Von Claudia Aigner
So, jetzt muss der geschätzte Leser alle seine Gehirnzellen
zusammennehmen: Was machen ein Medizin-Märtyrer, bei dem also Rudolf
Schwarzkogler "erste Hilfe" geleistet hat, und eine Lilie von Robert
Mapplethorpe, wenn man sie auf engstem Raum mit einem echten Brancusi
zusammenpfercht, während Josef Beuys gerade verhindert ist, aber immerhin
eine schriftliche Nachricht hinterlassen hat (allerdings für Albrecht
Dürer und nicht für Schwarzkoglers Schmerzensmann oder die Lilie), dass er
nämlich deshalb unabkömmlich ist, weil er Baader und Meinhof persönlich
durch die Documenta führt? Was die alle dann also machen? Vermutlich
einen postmodernen Eindruck (was auch immer das sein mag). Oder einen
zusammengewürfelten? Der unvoreingenommen verwirrte Beobachter der Szene
macht sich jedenfalls sogleich auf die Suche nach dem Sinn des Ganzen.
Oder tut so, als hätte er nichts von alldem bemerkt, und begeht
Fahrerflucht . . . äh verlässt ganz ruhig den Keller der Galerie Wolfrum
(Augustinerstraße 10) - und behält seinen Verstand. Jetzt kann ich es
ja sagen: Franziska Maderthaner, die Urheberin oder eigentlich das
ausführende Organ dieser Verwirrung, arbeitet auf ihre Weise die
Kunstgeschichte der letzten Jahrzehnte auf. Für ihre in der Tat
zusammengewürfelten Bilder lässt sie die Zutaten mit Hilfe eines
Würfelspiels ermitteln, wobei der Würfler jeweils ein paar Kunstwerke
erwürfelt, die dann alle quasi über ein und denselben Keilrahmen gestülpt
werden, kurz: von Maderthaner mit unerhört disziplinierter Malkultur
abgemalt werden. (Ihren Pinsel, der ein wahres Chamäleon ist und die
verschiedensten Techniken fotorealistisch kopiert, muss ich an dieser
Stelle wirklich loben.) Die Ergebnisse, surreale Bildwelten nach dem
Zufallsprinzip, sehen aus wie der Verfolgungswahn eines Kunsthistorikers
(der in seinen Träumen von den 100 größten Künstlern bedrängt wird). Aber
das Seltsamste daran: Nicht einmal der Zufall dürfte zufällig sein. Die
Anatomie einer Lilie (noch dazu mit potent hervorstechenden Staubgefäßen)
passt doch wunderbar zu Schwarzkoglers eindringlich "entmanntem"
Verarztungsopfer, dem an der Stelle seines üblichen "Attributs" ein
aufgerissenes Fischmaul prangt (eine Art zahnprothesenbedürftige vagina
dentata). Zugegeben: Was das Schild vom Beuys da zu suchen hat ("Dürer,
ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Documenta V"), kann ich
nicht restlos aufklären. Vielleicht ginge es, wenn ich so wie Josef B.
denken könnte. Der hat ja von sich behauptet: "Ich denke sowieso mit dem
Knie." Kulinarisch üppige, saftig konzeptionelle Bilder, die der
Erkenntnis nicht widersprechen, dass es in der Kunst eh nichts Neues mehr
gibt. Bis 28. Oktober. Fossilien vom fünften Tag der Schöpfung? Nicht
zwangsläufig. Aber am ehesten vom fünften Tag (sofern Darwins Einspruch
nicht doch noch stattgegeben wird). Brigitta Malche (bis 25. Oktober im
Atrium ed Arte, Lerchenfelder Straße Nr. 31) meditiert in ihren ruhigen,
unhektischen Bildern über das Wunder des Lebens. Und kombiniert sehr
sinnlich, geradezu "natürlich" Bildmaterial von fossilen Funden mit dem
binären und genetischen Code. (Letzterer übersetzt ja streng genommen das
Leben in abstrakteste Kunst.) Nullen und Einsen und die Buchstabensymbole
der Basen der DNS versickern in der Farbe wie Fossilien im Erdreich der
Jahrmillionen.
Erschienen am: 17.10.2003 |
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