DIE ZEIT


02/2003

Kunstmarkt

Archiv der Händler

Das Zadik in Köln erforscht die Regeln und Schliche des Kunstmarktes nach 1945

Von Claudia Herstatt

Was frühere Jahrhunderte angeht, haben die Wissenschaftler keine Berührungsängste mit der wirtschaftlichen Seite der Kunst. Es gibt genügend Material über römische Kunstagenten, den niederländischen Kunsthandel des 17., die Vermarktungstrategien im England des 18. Jahrhunderts oder über Rembrandt als Unternehmer. Der moderne Kunstmarkt nach 1945 dagegen ist immer noch Brachland. Als einziges Institut hat sich das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (Zadik) mit Sitz in Köln die Aufgabe gestellt, die Mechanismen des Marktes der bildenden Kunst der Nachkriegszeit aufzubereiten und transparent zu machen.

Material gibt es auch hier. 72 Galerien, darunter Änne Abels, Rolf Ricke und Van de Loo, Alfred Schmela, Hans Mayer und Otto Stangl, dazu 27 Kritiker, Sammler und Fotografen haben dem 1992 gegründeten Verein ihre Nachlässe vermacht. Darunter sind Geschäfts- und Künstlerkorrespondenzen, wertvolle Autografen, Gästebücher, an die 300000 Fotos aus Ateliers, Dokumente von Ausstellungseröffnungen, ebenso Unterlagen des Staatlichen Kunsthandels der DDR.

Weniger reich ist das Institut an finanziellen Mitteln, die ihm für die Zukunft garantieren könnten, die Unterlagen zugänglich und nutzbar zu machen. Immerhin 350000 Informationen sind inzwischen von den Mitarbeitern erfasst. Mehr als 6000 Dossiers stehen noch an. In den nächsten zwei Jahren will die Kölner Sparkassenstiftung fürs Überleben sorgen. Für die Zeit danach sucht der Direktor Günter Herzog weitere Geldgeber und Kooperationspartner, wenn der 48-jährige Kunsthistoriker nicht gerade Unterlagen einer Galerieauflösung aus dem Container fischt.

Nur eine langfristige Finanzierung wird weiterhin Leihgeber motivieren, ihre Unterlagen ans Zadik zu geben. So liebäugelt es beispielsweise mit dem Fotoarchiv von Benjamin Katz, von dem es im Frühjahr die Ausstellung Nur zur Verrechnung: Künstlerschecks zeigen wird. 70 künstlerisch gestaltete Schecks von Rosemarie Trockel, Joseph Beuys, Martin Kippenberger, Andy Warhol und James Lee Byars hat der in Köln lebende und arbeitende Fotograf zur Verfügung gestellt.

Mit 820000 Euro von der EU gefördert ist das von „basis wien“ koordinierte Gemeinschaftsprojekt vektor. Innerhalb von drei Jahren sollen fünf spezialisierte Archive in Frankreich, Großbritannien, Bozen, Kassel und Köln eine international gültige Standardisierung zur Eingabe der Kunstdaten ins Netz erarbeiten (www.vektor.at). Darüber hinaus arbeitet das Zadik im Rahmen von vektor die Entstehungsgeschichte des Kölner Kunstmarktes im Jahr 1967 als Ursprung der inzwischen weltweit abgehaltenen Kunstmessen auf. Die Ergebnisse sollen dieses Jahr in Form eines Katalogs veröffentlicht werden.

Gleichzeitig plant das Zadik die zentrale Archivierung der Homepages von Galerien und der Online-Kataloge der Auktionshäuser. „Viele Galerien“, so Günter Herzog, „wickeln inzwischen einen großen Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit über das Internet und über E-Mail-Aussendungen ab, aber zentral archiviert ist das alles nicht. Damit verschwindet wertvolles Kulturgut im Datenhimmel.“

In den zehn Jahren seiner immer wieder gefährdeten Existenz hat sich das Zadik in Fachkreisen einen Namen gemacht. Wochenlang recherchierten dort Wissenschaftler aus dem Klee-Archiv in Bern, und mit Restitutionsfällen befasste Provenienzforscher gehen im Archiv ein und aus (www.zentralarchiv-kunsthandel.de).

Die eigene Website wünscht sich der Archivleiter attraktiver; aber auch da fehlt es an Mitteln. „Es ist eigentlich absurd“, sagt er, „dass wir so dahinterher sind, die Daten elektronisch nutzbar zu machen, wo die Papiere im Original wahrscheinlich um Jahrhunderte länger haltbar sind.“ Nicht nur aus diesem Grund will das Archiv verstärkt den Bestand in Wechselausstellungen präsentieren: Joseph Beuys in Fotos, Briefen und Dokumenten ist in Planung, Förderer werden gesucht.

Das große Interesse anderer, auch finanziell unvergleichlich besser ausgestatteter Archive hat überhaupt erst zur Gründung des Zadik geführt. Als der Kölner Galerist Paul Maenz seine Unterlagen Anfang der neunziger Jahre an den Getty Trust in Kalifornien verkaufte, tat Handeln Not. Auch Teile des Nachlasses des Kunstmarktexperten Willi Bongard sind dort gelandet.

Nicht immer ist es einfach, die unterschiedlichen Aufgaben des Zadik zu vereinbaren: das Renommee zu pflegen und damit die eigene Zukunft sicherzustellen wie die der Bestände, aber auch für eine passable Präsentation nach außen zu sorgen. Nur so aber wird das Institut auf Dauer weitere Nachlässe einwerben können. Von all diesen Aktivitäten möchte man in Zukunft viel hören.