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Bewegung im Block |
Den Originalbeitrag von Matthias Boeckl über die "Remise" von
Coop
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Waren Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky
bis vor zehn Jahren noch mit Szene-Kleinbauten wie Bars, Restaurants,
Bühnenbildern, Ausstellungen, Dachbodenausbauten und - vor allem -
unausgeführten Visionen neuer, "offener" urbaner Lebensräume beschäftigt,
so stehen jetzt nicht nur ihre Position als internationale Stars, sondern
realiter auch drei in nur sieben Jahren realisierte große Wohnbauten zur
Überprüfung der gebauten Gestalt dieser Visionen an.
Engagement im Wohnbau Vielversprechend ist ihr Engagement, als ehemals radikalste Gruppe der
Wiener Achtundsechziger ("Unsere Architektur ist dort zu finden, wo die
Gedanken schneller sind als die Hände, um sie zu begreifen") just das
Gebiet des hochgradig regulierten kollektiven Wohnbaus als Prüfstein ihrer
dynamischen und expressiven Lebensreformkonzepte zu wählen. Aktuelles Projekt: Remise Der erste Eindruck des Wohnbaus Remise
entspricht der Erwartung: Ein bewegtes, expressives Raumgefüge, das auch
von der forcierten Materialsprache aus Stahl, Sichtbeton und geputzten
Kuben lebt. In die Luft gehobene Volumina, offene Diagonalpassagen,
dynamische Schräg- und X-Stützen, all das zählt zum bekannt
ausdrucksstarken Vokabular von Coop Himmelb(l)au und
hat ihnen das (missverständliche) internationale Prestige als
dekonstruktivistische Vorzeigegruppe eingebracht.
Pop-Artisten, nicht Dekonstruktivisten! Frank Werner hat in seiner soeben erschienenen Monografie jedoch klar
gezeigt, dass dieser Dynamismus jedenfalls nicht aus den linguistischen
Wurzeln der Dekonstruktivisten schöpft. Vielmehr hat er psychologische und
künstlerische Vorstufen im Experimentarium der Pop-Ära, deren Lebensgefühl
nun in dem auf breite Akzeptanz angewiesenen Wohnbau erprobt wird. Basisdemokratie der Lebensstile Wohnbau als Versuchslabor neuer Lebensstile - das hat in Wien jedoch
eine vielfältige, brisante Bedeutung. Einerseits gibt es hier im sozialen
und privaten Geschoßwohnungsbau eine stolze und lange Tradition mit
entsprechend verifizierten und verlässlichen Erfahrungen bei Typen,
Standards, Akzeptanz, möglichen Konstruktionsarten und infrastruktureller
Anbindung. Andererseits wünschen gerade die Wiener sich immer wieder
schicke Outfits und prestigeträchtig gehobene Standards. So übersichtlich diese Lage bisher war, so undurchsichtig sind die
Fronten in der digital aufgerüsteten, enthemmten Konsumgesellschaft heute
geworden. Denn nun sind es gerade die ehemaligen Standardbewahrer, nämlich
Wohnbaugesellschaften und Stadtverwaltung, die sich der "Avantgardisten"
bedienen, um am Markt oder politisch überleben zu können. Der Wohlstand
hat eine Art Basisdemokratie der Lebensstile gebracht. Wandelbare Genossenschaften Träger dieser neuen Politik sind heute jene Lifestyleanbieter, die vom
Wohnpark direkt am Freizeit-Wasser-Paradies bis zum Fernblick über Wien
oder dem hemmungslos kultivierten alten Wohn-Sehnsuchtsbild im Grünen jede
Wohnmode verkaufen und mittlerweile fast jede vom
Nettodurchschnittseinkommen österreichischer Familien ermöglichte
Nachfrage befriedigen können. Garanten dieser paradiesisch anmutenden
Zustände sind eine gezielte Förderpolitik sowie langfristig berechenbare
Rahmenbedingungen am Ort und in der Region (EU und restriktive
Zuwanderungspolitik sei "Dank"). Himmelblauer Formenkanon Coop Himmelb(l)aus Es gibt sogar eine Skybridge auf erheblicher Höhe. Die straßenseitigen
Außenwände der Anlage lassen - bis auf die auffälligen X-Stützen - kaum
Derartiges erwarten. Die vorgegebenen Funktionen wie Geschäftslokale,
Kinderbetreuung und ausreichend Garagenstellplätze bieten beträchtlichen
Komfort. Die Coops am Ziel Der eingangs beschriebene soziologische Trend der Wiener Wohnbauszene
zeigt sich auch deutlich im Marketing der Bauherren: Das für hiesige
Verhältnisse neue Phänomen der Internetwerbung
für Bauvorhaben akzentuiert - wie jede Werbung - vor allem Prestige- und
Standardfragen. Wenn aber die ehemalige Architekturavantgarde diesem
Unternehmen eine überdurchschnittliche räumliche, funktionelle,
energetisch-ökologische und ästhetische Qualität zu (geförderten)
Eigentumspreisen liefert, die für die Mittelklasse erschwinglich sind,
dann ist Coop's Parforce-Marsch durch die Institutionen wohl als gelungen
zu bezeichnen. Den Originalbeitrag von Matthias Boeckl über die
"Remise" von Coop Himmelb(l)au finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur
aktuell, Österreichs größter
Architekturzeitschrift. | ||||||
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