Roland Hagenberg
Bei dem Tempo, das der Fotograf, Autor und Filmemacher Roland Hagenberg vorlegt, könnte einem regelrecht schwindlig werden. Allein in diesen Tagen ist er abwechselnd in Tokio, im burgenländischen Raiding, in München und Paris anzutreffen. Das Switchen zwischen den Kulturen und Tempi macht ihm nichts aus – spätestens seit er 1994 wegen eines Buchprojekts von New York nach Tokio übersiedelte. Gekommen ist er für drei Jahre, geblieben ist er bis heute. „Japan ist das einzige Land, in dem bei mir noch nie ein graues, leeres Alltagsgefühl hochgekommen ist“, sagt Hagenberg. „Das Leben fluktuiert im Hin und Her von Mikronischen und Mikrowelten. Das treibt an, hält den Kopf jung. Darum bin ich geblieben, und wegen dieser minimalen Schlichtheit, die sich durch alle Lebensbereiche zieht.“ Eine Schlichtheit, die auch seiner eigenen Ästhetik entspricht und ihm geholfen hat, mit seiner Fotokunst akzeptiert zu werden: „Ich greife in meiner Arbeit auch japanische Themen auf, interpretiere sie aber als Ausländer, ohne dabei die japanische Ästhetik über den Haufen zu werfen.“
Mittlerweile lebt Roland Hagenberg selbst wie ein Japaner und hat viele Gewohnheiten angenommen. „Ich besuche Europa vier-, fünfmal im Jahr, und da passiert es mir in den ersten Tagen immer, dass ich mich, wenn ich unerwartet jemandem vorgestellt werde, wie ein Japaner verbeuge“, erzählt er. Umgekehrt werden ihm aber, wenn er von so einer Reise wieder nach Japan zurückkehrt, auch die Mängel bewusst. Was ihm am meisten abgeht? „Spinat mit Kartoffelpüree. Kaffeehaussitzen. Lachende Wienerinnen – ohne dass die sich dabei die Hand vor den Mund halten, wie es die Japanerinnen machen.“
Edwina Hörl
Schuld ist Yohji Yamamoto. Der brachte die Modedesignerin Edwina
Hörl erstmals 1991 für drei Jahre nach Japan. Nach einem Zwischenstopp
in Wien, wo sie ihr eigenes Label gründete, lebt Hörl nun seit dem
Jahr 2000 in Tokio. Yamamoto ist auch verantwortlich für den immer
spürbaren Einfluss der japanischen Kultur in ihren Arbeiten: „Die
Wichtigkeit des Raumes zwischen Körper und Textil, die Pflege des
Handwerks, das innen genauso wichtig ist wie außen, kunstvolle Färbe-
und Drucktechniken und nicht zuletzt die Beobachtung der
Gegenwartsphänomene auf den Straßen Tokios“ beschäftigen sie nach wie
vor.
Hörl sieht auch den einen oder anderen Vorteil, den
Ausländer in Japan haben: „Gewisse Verhaltensregeln braucht man als
Ausländer nicht zu befolgen, da sind die Japaner sehr großzügig.“ Hörl
genießt, dass die Mode in Japan ein sehr hohes Ansehen hat, wenn auch
nicht unbedingt als „Kunst und Spielerei“ wie in Europa, sondern eher
als „Business“. Auch die Kundschaft unterscheidet sich: „In Japan
kaufen die 15- bis 35-Jährigen Designermode, in Österreich und Europa
fangen sie eher erst mit 35 Jahren damit an, glaube ich. Außerdem ist
die Klientel eine andere: In Österreich kaufen sicher eher die im
Kulturbereich Tätigen, in Japan die aus unterschiedlichsten
Berufsgruppen und sozialen Schichten.“
Der japanischen Sprache
ist Hörl mächtig, aber ab und zu kommt es ihr ganz gelegen, wenn sie
mit ihren zwei langjährigen Freunden aus Österreich auch einmal Deutsch
sprechen kann. Die Österreicher in Japan finden sich übrigens relativ
schnell: „Sind ja nicht so viele.“ Früher sei es allerdings einfacher
gewesen, als das Kulturforum der Botschaft noch Kunstausstellungen
veranstaltet hat. So wohl sich Edwina Hörl persönlich fühlt, empfehlen
würde sie es nicht, sich in Japan niederzulassen: „Außer Sie haben
einen Arbeitsplatz, der schon auf Sie wartet, oder viel Geld oder gute
Freunde dort.“
Michael Coudenhove-Kalergi
Ein „Gastarbeiter-Japanisch“ spricht er, sagt der 72-jährige
österreichische Künstler. Es dürfte reichen, denn acht Jahre ist es
schon her, dass er seiner Frau in den Küstenort Chigasaki, südlich von
Tokio, gefolgt ist. In den 70ern war er das erste Mal in Japan – seit
damals habe sich das Land enorm geändert, sagt er. Auch europäischer
sei es geworden: „Wenn man will, kann man eigentlich total europäisch
hier leben.“ Man bräuchte nur zu Ikea gehen, „da glaubt man, man ist in
der SCS“.
Auch sind zum Beispiel die italienischen
Restaurants in Japan besser als in Italien, sagt der Maler. Nur
österreichisch, das sei schwer aufzutreiben. „So eine Leberkässemmel,
die geht mir wirklich ab. Auch Schwarzbrot ist Luxus.“
Coudenhove-Kalergi hat sich aber der japanischen Kultur ziemlich
angepasst – auch die ständige Musikberieselung überall erschüttert ihn
nicht mehr: „Sogar im Park kommt aus dem Gebüsch eine Melodie. Die
Japaner haben übrigens ein ziemliches Faible für österreichische Musik
– Mozart natürlich; aber ich habe auch niemals so oft Beethovens
neunte Symphonie gehört wie hier, in der Werbung, sogar in
Dixieland-Version!“ In seinen Bildern bevorzugt er jetzt europäische
Motive: „Einerseits, weil die Japaner es nicht gerne sehen, wenn
Europäer japanische Motive malen. Andererseits, weil ich Europa jetzt
mit ganz anderen Augen sehe; in Wien ist Wien ganz selbstverständlich,
hier nicht. Ja, vielleicht ist es auch eine Art Medizin gegen Heimweh.“
Solche Bilder, genauer Ölbilder von Österreichs Landeshauptstädten,
sind im März in einer Ausstellung in der Europäischen Kommission in
Brüssel zu sehen. Und für Linz09 hat Coudenhove-Kalergi den Folder
„Eine Stadt blüht auf“ gestaltet.
Johannes Steidl
Ob die japanische Erfahrung seine Kunst beeinflusst? Johannes
Steidl, Maler, Zeichner und Installationskünstler, will sich da nicht
so schnell festlegen. Allerdings: Am Ende hat es ihn in Tokio doch
„ziemlich erwischt“, obwohl er im Umgang mit unterschiedlichen
Kulturen ziemlich routiniert ist. Bei der Wahl dieses letzten größeren
Auslandsarbeitsaufenthalts war die Entscheidung für Japan zum Teil
zufällig, weil ihm eines der beiden Atelierstipendien des Bundes
zuerkannt worden war. Ein halbes Jahr hat er im Nordosten Tokios in
einem zweistöckigen Atelierhaus gelebt: „Für bildende Künstler war es
gut geeignet, für ein Maleratelier im klassischen Sinn aber sehr eng;
Tokio halt!“, sagt er. „Aber wie man mir zu verstehen gab, für Tokio
ein Luxus.“
Obwohl Steidl gerade erst nach Europa
zurückgekehrt ist, weiß er: „Ich werde unbedingt wieder hinfahren –
jetzt, da ich endlich die ersten Hürden genommen habe, vor allem das
Aufbrechen der gesellschaftlichen Hermetik.“ Das „Clansystem, das es
für einen ,gaijin‘ (Ausländer) nicht leicht macht, einfach Japaner
kennenzulernen“, war für ihn die größte Fremdheitserfahrung. Dazu kam
das Gefühl, „einem latenten Faschismus ausgesetzt zu sein“, wie er
sagt. „Als freiheitsliebender Mensch, der sich die Spielregeln so gut
wie möglich zurechtbiegt und sein Leben so gestaltet, dass er es nicht
ständig an die anderen anpassen muss, bin ich auf ein
pseudodemokratisches System gestoßen, das dem Einzelnen keinen
individuellen Spielraum lässt.“
Museum der Moderne Mönchsberg: Spotlight, bis 7. 6. 2009
Edgar Honetschläger
Es ist nicht nur die japanische Kultur, die in Edgar Honetschlägers Videos, Filmen und Zeichnungen eine Rolle spielt. Es ist die Kultur überhaupt, die italienische, chinesische, uruguayische ebenso wie eben die japanische. Gerade diese Vielfalt kultureller Unterschiede ist charakteristisch für sein Werk. Catherine David hat ihn dafür 1997 sogar zur documenta geholt.
Und doch hat sich gerade Japan über Umwege in seiner Biografie und seinem Werk eingenistet: „Es übt einen nicht versiegenden Einfluss auf meine Arbeit aus“, sagt er. 1991 war es, als er sich Japan von den USA aus erstmals genauer anschaute. „Ein Grund war meine Abneigung gegenüber den politischen Verhältnissen Amerikas. Japanische Sammler in New York City meinten, meine Vorstellung von Raum würde hier auf offenere Augen stoßen als im Westen.“ Er war bald überzeugt – nicht nur, weil es auch die Heimat seiner Lebensgefährtin Yukika Kudo war, die er 1994 in New York kennenlernte. Heute ist Japan für ihn zur zweiten Heimat geworden. „Ich habe mich hier in dem, wie gesehen und gedacht wird, gefunden, und ich mag, wie die Menschen miteinander umgehen. Wenn ich hingegen nach Europa komme, bin ich anfangs immer ganz verschreckt über den Umgangston.“
Nichtsdestotrotz weiß er auch um die für Außenstehende bisweilen
schier unüberwindlich erscheinenden Barrieren: „Füllen Sie mal ein
Papier aus, ohne von Kindesbeinen an die Schriftzeichen erlernt zu
haben! Finden Sie sich damit ab, nie Teil zu werden, sondern immer
Fremdkörper zu bleiben! Seien Sie bereit, die Welt ganz anders zu
denken – ohne Jesus und Freud! Bringen Sie viel Geduld und
Einfühlungsvermögen mit, und seien Sie bereit, sich ständig für Ihre
Existenz zu entschuldigen.“
Kunsthalle Krems: „Edopolis“, 29. 3.–14. 6.
Lydia Mischkulnig
Für ein Semester war die Kärntner Schriftstellerin in Nagoya, als
Gastprofessorin für Intercultural Studies. Da zahlt sich das Lernen der
Sprache nicht wirklich aus. So kam Mischkulnig in den Genuss skurriler
Supermarkterlebnisse: „Ich wollte einen extra trockenen Sake kaufen,
weil mir die Verkäuferin mit mundverkniffenen Gesicht den Geschmack
verdeutlichte. Zu Hause stellte sich heraus, dass es ein süßer
Pflaumenlikör war.“ Auch sonst war für Mischkulnig der Alltag voller
Tücken: „Am schlimmsten war die Erfahrung, dass es kein Vorurteil ist,
dass das japanische Fernsehen das schlechteste der Welt ist. Aber auch,
dass der Rauchmelder 30 Minuten Alarm schlug, nur weil ich, während ich
Pilze briet, eine Zigarette rauchte. Die Räume sind eben niedrig und
wirklich klein.“
Als Autor, sagt Lydia Mischkulnig, ist man in
Japan sehr geschätzt, japanische Germanisten kommen auch zu Lesungen.
Grundsätzlich hätten Österreicher in Japan keinen schlechten Stand:
„Japaner lieben österreichische Confiserie. Und Japanerinnen stehen auf
weiße Haut. Über Gesichter zu sprechen ist einfacher als über
Geschichte, da in japanischen Schulbüchern die Achsenmacht des Dritten
Reiches bis heute kaum reflektiert wird.“
Auf die Frage, ob
sie Interessierten empfehlen kann, sich in Japan niederzulassen,
reagiert Mischkulnig eher zurückhaltend: „Als europäischer Mann hätte
man eine große Anziehungskraft auf die Damenwelt, denke ich. Gewiss,
wenn man es schafft, die Hierarchien in den Betrieben als „gaijin“, als
Fremder, auszuhalten. In Japan wäre es unmöglich, gegen den Strom zu
schwimmen, jedes subversive Verhalten würde sanktioniert.“ Die
Japan-Erfahrung hat Mischkulnig jedenfalls geprägt: „Ich legte an
Gelassenheit zu.“
Lesung „Macht euch keine Sorgen“ (Haymon), am 6. 3., Literaturhaus
Sabine Scholl
Die Nagoya City University holte auch diese österreichische
Schriftstellerin als Gastprofessorin nach Japan. Sie wäre auch gern
länger geblieben, aber es klappte nicht. Im Nachhinein sieht Sabine
Scholl ein, dass es mit ihren beiden Kindern sowieso finanziell
unmöglich gewesen wäre: „Die Schulgebühren für ausländische Schulen
sind einfach zu hoch.“ Auch ihr fiel es nicht schwer, mit anderen
Österreichern zusammenzukommen: „Wenn man will, findet man schnell
Kontakt.“ Scholl konnte sich während ihres Aufenthalts gut integrieren:
„Ich finde Japan nicht schwierig. Man kann sich nach einiger Zeit gut
zurechtfinden.“ Und das, obwohl sie die Sprache nicht spricht. Das
führte auch bei ihr zu kuriosen Begebenheiten, meist im kulinarischen
Bereich: „Einmal habe ich Hühnerfleisch nach Bildvorlagen bestellt,
aber Kuhmagen serviert bekommen.“
Das, was Sabine Scholl am
meisten aus der Heimat vermisst hat, waren dementsprechend „Bücher in
Sprachen, die ich lesen kann“. In ihren eigenen Büchern und Texten
finden sich seit ihrem Nagoya-Aufenthalt immer wieder „japanische
Kultursprengsel“. Dennoch würde sie keine Empfehlung für angehende
Österreich-Japaner aussprechen – jetzt zumindest nicht: „Zurzeit ist
kein guter Moment, um sich in Japan niederzulassen. Japan leidet unter
der ökonomischen Krise, und arm sein ist dort sehr anstrengend. Japan
ist schön, wenn man genügend Geld hat, aber nun werden die Ausländer
nicht gebraucht, es ist hart zu überleben.
Sprachlos in Japan (Sonderzahl).