Salzburger Nachrichten am 27. April 2006 - Bereich: Kultur
Wien war auch anders

Das erneuerte Wien Museum Karlsplatz zeigt wunderbare alte Fotos: Wien um 1900, eine versunkene Welt auf Bildern des Stadtfotografen August Stauda.

ERNST P. STROBLWIEN (SN). Wienbesucher, die an jeder "Aaaah"-Ecke entzückt ihre Digitalkamera aus der Hemdtasche ziehen, können sich nicht mehr vorstellen, was es bedeutete, so um das Jahr 1900 herum "Stadtfotograf" gewesen zu sein. Und wer jammert, dass seine winzige Digitalkamera beim Knipsen eine Verzögerung hat, sollte sich die Belichtungszeiten vor Augen führen, mit denen die Ahnen rechnen mussten. Der schwere Holzkasten auf dem Stativ, den August Stauda (1861-1928) durch die Innenstadt und die Vororte von Wien schleppte, bedurfte wohl eines Assistenten.

Die Dokumente einer untergehenden Welt, die Stauda anfertigte, sind bis 27. August in einer wunderschönen Sonderausstellung zu sehen, mit welcher das Wien Museum Karlsplatz nach dem Umbau am Mittwoch wiedereröffnet wurde.

"Wien war anders" heißt die Ausstellung, die wohl nicht nur Nostalgiker entzücken wird. Fast 20 Jahre lang wanderte Stauda durch Wien, rund 3000 Fotos befinden sich in der Sammlung des Wien Museums. Nach mehreren Schwerpunkten aufgeteilt, lädt die Schau zum Gang durch Bezirke, aber auch zu Blicken in Hinterhöfe, Grätzel und Gassen der Donaumetropole abseits weltstädtischer Eleganz.

Wolfgang Kos, der Direktor des Museums, präsentierte zugleich mit der Stauda-Schau sein Haus in neuem Glanz. Nach einem 900.000 Euro teuren Umbau stehen nun neue Ausstellungsflächen zur Verfügung. Ein Atrium und das Foyer im Haus des Architekten Oswald Haerdtl (1959) wurde offen und modern gestaltet.

Um Architektur ging es auch dem Fotografen Stauda. Er beobachtete die Stadt im Umbruch. Ausstellungskapitel wie "Geschäfte", "Brunnen" oder "Kinder" dokumentieren eine trügerische Idylle. Das romantische Winkelwerk abseits der Prachtstraßen täuscht nicht über das soziale Elend hinweg, das sich dahinter verbirgt. Hinter letzten dörflichen Resten wächst die Großstadt in die Höhe. Die ersten Denkmalschützer protestierten gegen die drastischen Stadtbildveränderungen, einer davon - Graf Karl Lanckoronski-Brzezie - förderte den Fotografen Stauda mit vielen Aufträgen.

In der Innenstadt, vor allem aber im Wiental und am Gürtel fielen zahlreiche historische Gebäude der Spitzhacke zum Opfer. Ehe es soweit war, machte Stauda seine Aufnahmen und hielt die Lebensumstände der Bewohner, aber auch das Alltagsleben der Pferdekutscher, Handwerker und Tagelöhner fest. Übrigens mit gutem Sinn für Perspektive und Proportion, ohne Wert auf Kunstfotografie zu legen.

Eine gute Idee des Wien Museums ist es, für Freunde des "alten Wien" die Möglichkeit anzubieten, recht günstig einzelne Fotografien des Zeitzeugen August Stauda ganz im Stil alter Bestellkataloge zu bestellen.Information: www.wienmuseum.at