diepresse.com
zurück | drucken

20.02.2006 - Kultur&Medien / Kultur News
Rekorde: Kunstsammler im "Goldrausch"
VON ALMUTH SPIEGLER
Auktionsrekorde. Millionen für Munch, Schiele, Zeitgenössisches. Kommt ein Crash?

Acht neue Auktionsrekorde, 27 Wer ke, die jeweils bei über einer Million Pfund zugeschlagen wurden, ein Gesamterlös von rund 101 Millionen Euro - Edvard Munch brachte die Sotheby's-Crew bei der letzten Impressionisten-Auktion eindeutig zum Schreien. Vor Glück allerdings. "Die Atmosphäre war absolut elektrisch. So etwas habe ich nie zuvor erlebt", berichtete eine Augenzeugin.

Das Spitzenlos, Munchs auf 3,6 bis fünf Mio. € geschätzter "Sommertag", den sich einmal Hermann Göring angeeignet hatte und der jetzt vom norwegischen Reeder-Millionärs-Erben Fred Olsen eingeliefert wurde ("Die Presse" berichtete), brachte den erwarteten Künstlerrekord von 9,02 Mio. €. Und eines der praktisch nie auf den Markt kommenden Selbstporträts des Expressionisten erzielte immerhin 5,2 Mio. €.

Doch auch der österreichische Expressionismus kann in diesen Kategorien locker mithalten: Egon Schieles auf 2,7 bis 3,7 Mio. € geschätzte Gouache "Kniender weiblicher Halbakt" von 1917 brachte bei Christie's 6,08 Mio. €. Und damit in diesem Medium einen Höchstpreis für den Künstler.

Langsam wird es also ein wenig unheimlich. Schließlich befinden wir uns in einem historischen Hoch, mitten im "Goldrausch", wie "The Independent" titelte. Und der Kunstmarkt ist derart aufgeheizt, dass skeptische Gemüter schon einen Crash, wie er Anfang der 90er bereits einmal hereinbrach, prophezeien. Doch die Rekordflut der vergangenen zwei Jahre lässt selbst den damaligen legendären Kunstmarkt-Boom weniger glamourös erscheinen. Zum Vergleich: 1990, am Höhepunkt der Spekulationen, durchbrachen laut den Analysen von "Artprice.com" bei Auktionen 395 Lose die Ein-Millionen-Dollar-Grenze. 2005 wurde diese Zahl mit 477 Losen erstmals übertroffen. Insgesamt 320.000 Lose waren den Sammlern vier Milliarden Dollar wert.

Die Experten werden natürlich nicht müde zu versichern, dass sich ein derartiger Zusammenbruch, wie er zu Beginn der 90er Jahre passierte, nicht wiederholen wird. "Der Markt hat sich weiter entwickelt", sagt etwa Olivier Camu von Christie's. "Früher war es ein sehr kleiner Pool von Leuten, die zu diesen Preisen Kunst kaufen wollten. Jetzt ist der Kreis viel größer." Nachgerückt scheint eine neue Generation von Sammlern aus Russland und Südostasien, z. B. Taiwan, Indien, Singapur, bei der Geld nur mehr eine marginale Rolle spielen dürfte.

Und immer mehr schiebt sich die zeitgenössische Kunst ins Zentrum. Hier sind noch leichter, anders als im ausgedünnten Altmeister- und Impressionisten-Bereich, Spitzenwerke zu ergattern. Die Spitzenergebnisse der letzten Auktionen zeigen es: Christie's verkündete seine erfolgreichste europäische Auktion zeitgenössischer Kunst überhaupt mit einem Gesamtergebnis von 53,9 Mio. € und zehn Künstlerrekorden, etwa für Lucian Freud (Männerporträt, sechs Mio. €), die deutschen Maler Georg Baselitz ("Ein Roter", 1,8 Mio. €) und Franz Ackermann ("b2 barbeque with the duke", 435.000 €) sowie den jungen Leipziger Matthias Weischer ("O. T.", 321.000 €).

Ein Umsatz, der Konkurrent Sotheby's im Feld der Zeitgenossen, wie zuletzt des öfteren, auf Platz zwei verwies. Trotzdem fuhr man auch hier mit insgesamt 43,9 Mio. € die "höchste Gesamtsumme für zeitgenössische Kunst in der Geschichte des Auktionshauses" ein. Top-Los war Lucian Freuds "Bruce Bernard (seated)" von 1996 mit gut 5 Mio. €.

Aufhorchen ließ Sotheby's dafür letzte Woche in New York mit einem Rekord in einem lange unterschätzten Medium: Die Fotografie "The Pond-Moonlight", - ein 1904 von Edward Steichen aufgenommener idyllischer Weiher, indem sich das Mondlicht spiegelt - erzielte mit 2,46 Mio. € den höchsten Preis, der je bei einer Auktion für Fotografie gezahlt wurde. Es war eines von 140 Fotos, von denen sich das New Yorker Metropolitan Museum of Art trennte. Der bisherige Rekord für ein Foto - interessanter Weise ein "Cowboy" des Zeitgenossen Richard Prince - lag bei rund einer Mio. €.

© diepresse.com | Wien