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Kunstberichte

Die konstruktive Logik im Modell

Die Ausstellung von Alexander Rodtschenko beweist im MAK, wie zeitgenössisch die russische Avantgarde ist
Der Konstruktivismus lebt weiter in der zeitgenössischen Kunst. Im Bild: Rodschenkos Design eines Schachbretts für den Arbeiterclub, 1925. Rodschenko & Stepanowa Archive

Der Konstruktivismus lebt weiter in der zeitgenössischen Kunst. Im Bild: Rodschenkos Design eines Schachbretts für den Arbeiterclub, 1925. Rodschenko & Stepanowa Archive

Von von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Er hat die Architektur, das Design und die Fotografie des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst: Alexander Michailowitsch Rodtschenko.

1991 hat das MAK ihm sowie seiner Künstlerkollegin und Ehefrau Warwara Stepanowa eine große Schau gewidmet, die danach ins Puschkin Museum nach Moskau wanderte. Diese Schau namens "Die Zukunft ist unser Ziel" hatte zur Folge, dass dem MAK ein Konvolut von Originalabzügen nach Negativen des Künstlers geschenkt wurde. Die nun in der Galerie präsentierten "Raumkonstruktionen" sind aber auch Resultat einer Zusammenarbeit mit dem Shusev State Museum of Architecture (MUAR) in Moskau und der dortigen Universität für Design.

Skulpturen aus Pappe

Kinetische, konstruktive und teils frei schwebende Skulpturen aus Pappe und Holz hatte Rodtschenko in den frühen 20er Jahren mit seinen Studenten in den höheren künstlerisch-technischen Werkstätten (Wchutemas) erarbeitet. Sein dazu erhaltenes Skizzenbuch ist ein Inventar dieser leider nicht mehr im Original erhaltenen Objekte. Aber bevor diese Gebilde zerstört wurden, fotografierte sie der Künstler. Einige wenige Kopien dieser Fotos sind – meist in Privatsammlungen – erhalten. Möglicherweise hielt der Künstler diese Experimente für zu radikal, eher aber waren sie nur als Demonstrations-Modelle für den Unterricht vorgesehen und nicht für weitere Verwendungen gedacht.

Das Staunen lehren

Nun wurden diese Raumgebilde nachgebaut und neben die vorhandenen kleineren und größeren Skizzenblätter gestellt oder gehängt.

Ihre Radikalität zeigt sich nicht nur in der konstruktiven Logik, das Revolutionäre liegt auch in der totalen Akzeptanz technischer Möglichkeiten und in der daraus resultierenden Dynamik. Neben den nachgebauten markantesten Beispielen gibt es noch 27 weitere Skizzen, die das Staunen lehren. Die vor nun bald 90 Jahren entstandenen Formen wirken bis heute in Architektur, Grafik, Fotografie und im Design weiter. Gerade die Vermischung der Künste war überaus zukunftsweisend.

Die russische Avantgarde des beginnenden 20. Jahrhunderts ist also heute – obwohl damals undenkbar – ein "Klassiker" geworden. Ohne diese Vorläufer wäre etwa zeitgenössische Architektur undenkbar.

Das "Frische" (Peter Noever) der damaligen Kunstauffassung, die auch das Nebensächliche – wie Treppen, Lifte, Antennen oder Masten – in Augenschein nahm, erweist sich als immer noch aktueller Gedanke. Auch Möbel, Plakate, oder Bucheinbände haben bis heute von den gestalterischen Möglichkeiten konstruktivistischer Welten profitiert.

Ausstellung

Alexander Rodtschenko. Raumkonstruktionen
Peter Noever, David Sarkisyan, Alexander Lavrentiev (Kuratoren)
MAK Galerie bis 26. Feber

Das Wunder langen Nachlebens konstruktivistischer Form.

Mittwoch, 28. Dezember 2005


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