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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | Lentos Kunstmuseum Linz 
09. März 2005
12:46 MEZ
Von Markus Mittringer

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Lentos
Bis 6. Juni 
Foto: Lentos/Reinhard Haider
Als Kritik an der Abschiebepraxis der deutschen Regierung parkt Silke Wagners VW-Bus "Lufttransa Deportation Class" im Linzer Lentos Kunstmuseum.

Mona Lisa in Markenschuhen
Mit "Just do it!" zeigt das Lentos in Linz eine Themenausstellung zur Subversion der Zeichen von Duchamp bis zum Kollektiv Prada Meinhof

Die Schau versammelt historische wie zeitgenössische Strategien, Unmut über die jeweils Herrschenden zu äußern.


Linz - "Culture Jamming" bezeichnet Strategien des zivilen Ungehorsams, die in Kunst und Kultur ebenso Spuren hinterlassen, wie sie politisch motivierten Aktivismus prägen. Im Lentos Kunstmuseum Linz verfolgen die Kuratoren Thomas Edlinger, Raimar Stange und Florian Waldvogel diese Spuren zurück bis ins erste Drittel des letzten Jahrhunderts. Motto: Just do it!

Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof setzt in jenem Moment 1919 ein, den Duchamp nutzte, der Mona Lisa einen Schnurrbart ins Gesicht zu kritzeln und die Ikone mit L.H.O.O.Q., der phonetischen Entsprechung für "elle a chaud au cul" ("ihr ist heiß am Arsch") zu betiteln. Er definierte seinen Akt der Subversion als "eine Kombination von Readymade und ikonoklastischem Dadaismus".

Am chronologisch anderen Ende der Schau zum Potenzial der Umdeutung und Aneignung von Logos steht Olaf Nicolais Big Sneaker, ein überdimensionierter Nike-Sportschuh, der im Foyer des Lentos brachial veranschaulicht, wie die Marke gegenüber dem reinen Gebrauchswert des Turnschuhs das Kaufverhalten dominiert.

Den weithin sichtbaren Rüschen-Store im Blumenfenster ersetzt zeitgemäß das Nike-Logo als Signal. Sein Träger wiegt sich in der Illusion des Gefühls der Geborgenheit in der Marke - im Kitsch.

Die Präsentation im Lentos ist ein vielschichtiger Mix aus diversen kulturellen Störgeräuschen. Konsumobjekte wie T-Shirts oder Skateboards finden sich "gleichberechtigt" mit Kunst neben einer umfangreichen Sammlung an weiterführenden Materialien. Skate-Profi Ron Chatman etwa verstößt bewusst gegen das amerikanische Patentrecht: Jimi Hendrix' Erben haben sich die Haarpracht der Gitarrenlegende schützen lassen, die Chatmans Board ziert.

Der Katalog - eigentlich ein ergänzendes Buch zur Schau - liegt als silbrig schimmernder, gestanzter Totenkopf vor. Wohl ein Verweis auf die Symbolwelten des Heavy Metal. Letztlich ist der Reader im Schundheftl-Design aber nicht weniger kindisch als die obligatorische Fransenlederjacke zur getunten Harley-Davidson. Ein Weniger an Customizing bei gleichzeitigem Mehr an Dokumentation hätte die Publikation durchaus in den Rang eines Nachschlagewerks erheben können.

Egal. Ad Reinhardt thematisiert mit seinem Stammbaum die Verästelungen im Kunstbetrieb (Museum Landscapes, 1968), Andy Warhols Brillo Boxes von 1965 kommen als Klassiker der Aneignung ebenso zu neuerlicher Aufstellung wie Barbara Krugers klassische Descartes-Umdeutung I shop therefore I am von 1987, die wieder einmal einen Stopp auf ihrer permanenten Welttour einlegt.

Weiter führt Just do it! über Kurt Schwitters zu John Heartfield, den Punk-Fanzines der 70er-Jahre, Raymond Pettibons US-Amerika-kritischen Schwarz-Weiß-Flyern für die Hardcore-Band Black Flag bis hin zu aktuellen Formen des Medienaktivismus, wofür beispielhaft Silke Wagners VW-Bus Lufttransa Deportation Class als Kritik an der Abschiebepraxis der deutschen Regierung im Lentos parkt.

Peter Weibel genügte 1971 ein kleiner Eingriff für ähnlich große Wirkung: Er benötigte bloß einen Zettel und drei Lettern, um eine staatliche Institution infrage zu stellen. Heute hängt das Foto der Schundbuchsabteilung gerahmt und hinter Glas im städtischen Museum.

Just do it! ist aber mehr als eine Akkumulation von Kunstprodukten: Ein "freier" Kopierer und ein ebenso "freier" Internetzugang mit sorgfältig kuratierten Links zu korrekten Netzaktivismus-Adressen zitieren wohl auch Stella Rolligs Zeit als Bundeskuratorin. Freies Kopieren genoss schon im Depot legendären Ruf. Eine andere Legende hat Bruno Peinados interpretiert: The big one world zeigt das Michelin-Männchen als Afrikaner. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.03.2005)


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