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Österliches von "Graz 2003": Sprung vom Leidenspfahl

Nur der erste Eindruck könnte Empörung erwecken: Am Grazer Kalvarienberg, der ältesten und größten, gerade neu renovierten szenischen Darstellung des Leidens Christi in Österreich, steht ein Kruzifix, das dem Gekreuzigten als Sprungbrett dient.

Graz (APA) - Dabei handelt es sich um eine Arbeit des Kärntner Künstlers Werner Hofmeister im Rahmen des Graz 2003-Projektes "Himmelschwer. Transformation der Schwerkraft", die die Auferstehung neu mit einem Augenzwinkern interpretiert.

Die mit oranger Rostschutzfarbe lackierte Plastik aus Aluminiumguss sticht aus der spätbarocken Gesamtinszenierung zunächst nicht hervor, auf Wunsch des Künstlers weist sie auf der Rückseite des Berges nach Norden in ein Industriegebiet. Inhaltlich bricht die vom Künstler als "Fußnote" oder "zwölfeinhalbte Station" gedachte Installation aber mit dem überlieferten Leidensweg, an dessen Ende das Kreuz mit dem zusammensackenden Erlöser steht: "Durch die Verschiebung des Corpus nach oben wird der ans Kreuz Genagelte zum Sprung-Christus", deutet der Theologe Alois Kölbl und Projektkurator. "Einem in unzählbaren Variationen und Reproduktionen existierenden Zeichen, dass allzu oft in die Banalität abgeglitten ist, wird neues Leben eingehaucht".

Der ursprüngliche Titel "Spring Board" wurde auf Wunsch der Kirche abgefedert durch die Verwendung der lateinische Version: "Tabula saltandi", steht nun vor Ort zu lesen. Pfarrer Josef Ranftl berichtet auch von Ablehnung: "Einige sehen darin eine Gotteslästerung, sie halten es für ungebührlich, Christus so darzustellen". Die Mehrheit nehme das Kunstwerk aber einfach zur Kenntnis, auch Zuspruch gebe es für den Mut, so etwas hier zuzulassen. Ob der Sprung-Christus auch nach dem offiziellen Ende der vom Kulturzentrum bei den Minoriten initiierten Ausstellung am Grazer Kalvarienberg bleibt, ist noch offen: Die Installation ist jederzeit abmontierbar, Veranstalter und Künstler wären aber mit einem weiteren Verbleib einverstanden.

"Himmelschwer. Transformation der Schwerkraft". Ausstellung im Grazer Joanneum und an verschiedenen Plätzen, bis 15. Juni 2003. Katalog zur Ausstellung im Wilhelm Fink Verlag um 35 Euro.
2003-04-15 10:09:39