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Impulsiv mit Herzblut Gemaltes

Anzinger-Bilder, die bereits bei der Biennale in Venedig oder bei der Kasseler documenta zu sehen waren, zeigt derzeit die Galerie Thoman.

INNSBRUCK. Siegfried Anzinger ist einer jener Künstler, die Anfang der achtziger Jahren die Kunst revolutionierten. Sie hatten das spröd Kopfige der Konzeptkunst satt, um statt dessen Appetit auf volle Farbtöpfe zu haben. Das Ausbreiten privater Emotionen in wildem Gestus auf großen Leinwänden war ein internationales Phänomen. Die österreichischen "Wilden" waren nie eine Gruppe im eigentlichen Sinn und dem entsprechend unterschiedlich entwickelten sich die einzelnen Künstler in den folgenden Jahren.
Den Weg, den der 49-jährige geborene Oberösterreicher Siegfried Anzinger gegangen ist, zeichnet eine großartige Ausstellung in der Galerie Thoman nach. Sie ist bestückt mit zentralen Arbeiten aus den verschiedenen Phasen der Entwicklung des heute an der Düsseldorfer Kunstakademie Malerei lehrenden Anzinger: Unter anderem mit Bildern, die 1981 bei der documenta 7 in Kassel, bei der großen Zeitgeist-Ausstellung in Berlin oder 1988 bei der venezianischen Biennale - wo Anzinger den österreichischen Pavillon bespielte - zu sehen waren.
Siegfried Anzinger ist ein leidenschaftlicher Mensch, als Maler anknüpfend an die große Tradition des österreichischen Expressionismus. Sein Thema ist der Mensch, dessen Geworfensein in die Welt, seine Zerbrechlichkeit und Endlichkeit. "Anzinger malt mit seinem Herzblut", so Lois Weinberger über seinen so andersartigen Kollegen, womit er schön das Obsessive, an die Grenzen Gehende der Kunst Anzingers beschreibt.
Denn Anzinger ist ein totaler "Bauchmensch", ein impulsiver Arbeiter, der ein Bild oft in einem Zug durchmalt, das Arbeiten als ihn drängenden schöpferischen Akt fast durchleidet. Die Leinwand mutiert auf diese Weise zum Schlachtfeld, wobei er schon Gemaltes immer wieder übermalt, immer wieder neue Möglichkeiten erfindet, um sich exzessiv im Farbigen auszuleben.
Mit den Jahren ist Siegfried Anzingers Farbigkeit bunter, sein Gestus ruhiger, seine Art zu Formulieren poetischer geworden. Grafische Elemente dominieren eindeutige die jüngsten Arbeiten des sich immer wieder selbst in Frage stellenden, immer nach neuen Formen des Ausdrucks suchenden Künstlers. Vor monochromen Hintergründen werden hier Geschichten erzählt, in denen sich jeder erkennt.
2002-04-26 11:57:49