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Montag 17.09.2001, 14:41
Das Presse-Online Archiv
Erscheinungsdatum: 15.09.2001 Ressort: Kultur/Medien
 
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Freilegen der Schichten im Kunsttresor
Das "Mumok" verdankt seine innere Struktur einer rund vierzigjährigen, wechselnden Sammeltätigkeit. Sie wird jetzt auf sieben Ebenen überblickbar, umkleidet von einer Art Tresor.

Von Kristian Sotriffer

Durch seine äußere und innere architektonische Präsenz wird das mit der wenig anziehenden Signatur "mumok" gekennzeichnete schwarzgraue Haus weltweit nicht zu den großen Attraktionen zählen. Wie es im einzelnen "bespielt" werden kann, bleibt ebenso offen, wie die diversen Schnittstellen keine Kommunikationsmöglichkeiten untereinander ergeben. Nur ein breiter Schacht verschafft eine Verbindung - und Fenster gibt es nur eines: auf der Ebene 8 mit dem, was dort "Kuppelsaal" genannt wird.
Jetzt aber wird zunächst in Teilen zusammengefaßt, was der scheidende Direktor Lóránd Hegyi einerseits geerbt, andererseits durch Neuerwerbungen in rund zehn Jahren anzureichern versucht hat: eine Auswahl von rund 400 (aus etwa 6000) Sammlungsobjekten. Und da stechen einmal mehr jene Glanzstücke hervor, die dem jungen Museum einst eigenes Profil verliehen haben.
Zur Erinnerung: Das Museum des 20. Jahrhunderts im Schweizergarten wurde 1962 gegründet und verdankte sein feines inhaltliches Gefüge Werner Hofmann. Ihm folgte ohne größere Folgen Alfred Schmeller. Als man 1979 ins - ewig nur belastende - Palais Liechtenstein einzog, führte Dieter Ronte auch im Zusammenhang mit der späteren Stiftung Ludwig Regie. 1978 hatte man noch rasch die fragile Sammlung Hahn erworben. Die Komplexe Ludwig und Hahn verliehen dem nun zweigeteilten Museum einen neuen Schwerpunkt. Es veränderte sich weiter unter dem von Erhard Busek bestellten Ungarn Hegyi - dahinter stand der Mitteleuropa-Gedanke, jetzt nochmals betont hervorgehoben auf Ebene 6.

Ganz oben: Poprealismus

Vergleicht man den Basalthügel mit einem (Kunst-)Bergwerk, so lassen dessen flözartige Querungen eben auch ein historisches Wachsen erkennen. Unten wird die "klassische Moderne" zwischen Expressionismus und Informel mit dem Wiener Aktionismus und Varianten der Body Art konfrontiert. Darüber folgt, was zwischen Minimal- und Concept Art zu dem führt, was jetzt als "Postpainterly Abstraction" bezeichnet wird. Unmittelbar Zeitgenössisches schiebt sich dann vor Fluxus und Nouveau Réalisme mit Teilen der Sammlung Hahn im Zentrum. Ganz oben wird zusammengefaßt, was zwischen Pop und Photorealismus die Ludwig-Gaben bestimmt.
Präsentationsarten, Gegenüberstellungen, das Betonen von Zusammenhängen wechseln. Mitunter gibt es ein Gedränge, zwischendurch lockern sich die Gruppierungen auf. Neben den Großräumen in ihrer eher simplen Struktur gibt es kleinere Einzelpräsentationen: für Lois Weinberger, ungarische Konstruktivisten, Schwarzkogler, Arnulf Rainer, Franz West, Jannis Kounellis, den "Basisraum Nasse Wäsche" von Joseph Beuys oder - umfassender - Bernard Lavier, einem von Hegyis Lieblingen.
Meist erzeugen die einzelnen Konzentrate ein gut einsehbares Spiel untereinander. Schwerpunkte werden - wie im Fall der "Minimal"-Positionen - hervorgehoben. Aber ein unverkennbar eigener Sammlungs-Charakter will sich nicht herauskristallisieren, obwohl er von den Ansätzen her einmal intendiert und erreichbar erschien. Darin besteht das Manko zahlreicher zeitgenössischer Museen mit stets denselben Marken. Heute, sagt Paul Virilio, setzt sich "die einzigartige Kunst des einzigartigen Marktes der gelobten Globalisierung durch (in Wien ebenso wie in Paris oder in London)".
Da es sich jedoch nicht nur um ein Mausoleum, sondern auch um ein lebendiges Ausstellungshaus handeln soll, darf von ihm auch noch anderes erwartet werden. Entsprechende Weichenstellungen, wie sie von Hegyis Nachfolger Edelbert Köb zu setzen wären, deuten sich etwa in der "die Ereignisse der experimentierenden jungen Künstlergeneration" präsentierenden sogenannten "Factory" an. Im heimischen Anteil setzt man einen - problematischen, weil wichtige Beiträge zum internationalen Geschehen etwa der Bildhauerei ausblendenden - starken Akzent auf die letzten beiden Jahrzehnte. Der Aktionismus war ja nicht alles, und mit Ausnahme von Rainer oder Lassnig werden die der Galerie nächst St. Stephan nahe gestandenen oder unter dem Begriff "Wirklichkeiten" angetretenen Maler ignoriert; Gironcoli dagegen erfährt die ihm zustehende Aufmerksamkeit.
Vielleicht wurde einkalkuliert, daß gegenüber im Leopold-Museum, das in wenigen Tagen eröffnet wird, vielleicht nicht nur Künstler der Zeit vor 1945 anzutreffen sind. Wer aber wird sich jetzt etwa um das Wotruba-Vermächtnis kümmern, für das im Museumsquartier wider Erwarten kein Platz bereitgestellt wurde?
Ab 26. September, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

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