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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
06. März 2009
18:59 MEZ

Bis 17. Mai

 
Buddha kam nur bis Wuppertal
Das Wiener Mumok zeigt Nam June Paiks "Music For All Senses"

Wien - Kurz kommt an diesem Abend Rührung auf. Etwa, wenn Manon Liu-Winter, eine Expertin für Musik des 20. Jahrhunderts, mit strenger Miene an einer Gängelschnur eine Barbie-Puppe mit Holz- und Metall-Klimbim durch das Hallenrund des Wiener Museums Moderner Kunst schleift. Titel dieses höheren und heute nach Minimalkunst aus dem Dampfradio klingenden Quatschs Nam June Paiks von 1975: Dragging Suite. Schon ein Jahrzehnt zuvor sangen die Rolling Stones: "What a drag it is getting old." Das Alter bekommt der Kunst oft nicht gut.

Nam June Paik, der 2006 verstorbene, immerzu fröhliche koreanische Pionier des Fluxus und der Medienkunst, wirkt dann sogar zeitgemäß. Anlässlich des jetzt gefeierten 50. Geburtstags der Barbie ein hübscher Zufall. Seit fast einem Monat läuft parallel zu Maria Lassnig im Mumok die vorwiegend auf großformatigen Fotowänden dokumentierte Nachstellung Nam June Paiks legendärer erster Einzelschau: Exposition Of Music - Electronic Television. Eine heitere, dem Zen-Buddhismus zwischen Rappelkiste, präparierten Fernsehapparaten und Klavieren verpflichtete, eine ganze Villa füllende performative Installation von 1963 in der Wuppertaler Galerie Parnaß. Titelmäßig aktualisiert auf Music For All Senses. Sie hatte angesichts des Medienechos bezüglich der auch nicht unlustigen Maria Lassnig allerdings einen Startnachteil.

Massenmedien

Dazu zählt, dass jetzt erst der durchaus mit weitschweifenden theoretischen Texten ausgestattete Katalog fertiggeworden ist. Fluxus, die ab Ende der 1950er-Jahre allererste Kunst, die sowohl performativ als auch mit der Reaktion auf Massenmedien und mit Publikumsbeteiligung arbeiten wollte, sie wurde jetzt mit einem konträr zum Urhebersinn altmodisch auf Frontalunterricht angelegten Konzertabend ein zweites Mal eröffnet.

Hannes Löschel, Konrad Rennert, Bernd Thurner und Manon Liu-Winter interpretierten Stücke von La Monte Young, George Brecht oder John Cages Variations & Indeterminacy, Ein Gong wurde zehn Minuten lang mit kleinsten Takt- und Klang-Abweichungen geschlagen. Wasser tropfte aus einer Teekanne in eine Obstschüssel. Wände wurden mit Daunenfedern perkussiv bearbeitet. Sektkorken knallten. Stabmixer röhrten. Die antiken, einst von Nam June Paik noch händisch in ihren Gedärmen manipulierten TV-Geräte brummten dazu freundlich und zeigten weiße Linien. Früher war das wild und cool. Heute sieht das ganz nach Hippiekunst im grauen Anzug aus.  (Christian Schachinger/DER STANDARD Printausgabe, 7./8. März 2009)

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