text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. Oktober 2008
18:20 MEZ

Oskar Kokoschkas "Istanbul I" : Das 2007 aus der Tschechischen Republik an die kanadischen Erben nach Oskar Federer restituierte Gemälde soll im Februar in London umgerechnet 1,5 bis 2,26 Millionen Euro bringen.


Bitterkeiten im Kampf um Hochkarätiges
Impressionist & Modern Art steht kommende Woche bei Auktionen in New York am Programm

Die Auktionshäuser haben im Vorfeld Garantien im Umfang von rund 200 Millionen Dollar erteilt.


Wien / New York - Dass Kunstwerke wenige Stunden vor einer Versteigerung noch zurückgezogen werden, gehört zum Daily Business von Auktionshäusern. Bitter ist es, wenn es sich dabei um Hochkarätiges handelt, für das die Marketingmaschinerie bis zu diesem Zeitpunkt auch bereits ein stolzes Sümmchen verschlungen hat.

Den Experten im Sotheby's-Headquarter ist es dieser Tage tatsächlich nur ein schwacher Trost, dass es weder das Titellos des Katalogs (Edvard Munch, Vampire), noch eines der höchstdotierten Werke der Sitzung (Kasimir Malewitsch, Suprematist Composition) traf. Aber - keine Frage - Pablo Picassos 1909 gemalter Arlequin war ein verheißungsvoller Kandidat. Selbst die Chance, dass dieses im Laufe der vergangenen Wochen erstmals seit 45 Jahren in der Öffentlichkeit präsentierte kubistische Meisterwerk deutlich mehr als die erhofften 30 Millionen Dollar gebracht hätte, standen nicht schlecht. Gut, das sind Spekulationen, an die in wirtschaftlich turbulenten Zeiten ganz offiziell niemand glauben mag, umso mehr, als der Markt davon bislang nicht betroffen war.

Verunsicherte Verkäuferseite

Schmerzlich bleibt es trotzdem, schon weil die Ende vergangener Woche vom Besitzer getroffene Entscheidung, Arlequin doch nicht versteigern zu lassen, eine mehr als unangenehme Außenwirkung hat. Steht der Einbringer gar repräsentativ für eine völlig verunsicherte Verkäuferseite? Die Öffentlichkeit wird es nie erfahren, Gerüchte kursieren, offiziell werden private Gründe angeführt. Der Einbringer - laut New York Times stand er im Vorfeld auch mit Christie's in Verhandlungen - hatte in dem im September mit Sotheby's abgeschlossenen Vertrag auf eine Klausel bestanden, die ihm genau dieses Recht einräumte.

Im immer härteren Kampf um Hochkaräter machen Auktionshäuser den Einbringern immer öfter Zugeständnisse. Aktuell schicken Sotheby's und Christie's im Rahmen der Impressionist & Modern Art Sales kommende Woche (am Montag startet Sotheby's, Dienstag wird aufgrund der Wahl in den USA pausiert, am Mittwoch übernimmt Christie's das Ruder) eine stattliche Anzahl an Kunstwerken ins Rennen, für die sie im Vorfeld Preisgarantien erteilt haben. Bei Christie's sind es sechs aus 85 angebotenen, die zumindest 64,5, wenn nicht 88,5 Millionen Dollar bringen müssen, darunter Kandinskys zuletzt im Kunsthaus Zürich stationierte Studie zu Improvisation 3 (15-20 Mio. Dollar). Sotheby's schöpft mit einem Wertvolumen von rund 122 Millionen Dollar in dieser Kategorie aus dem Vollen. Die Anzahl beläuft sich hier auf elf aus insgesamt 70 Kunstwerken: darunter Munch's Vampire, das als einziges Werk dieser Motivserie außerhalb eines Museums um die 35 Millionen Dollar bringen will, sowie Malewitschs Suprematist Composition, eine wahre Ikone der Moderne, für die man einen Zuschlag um die 60 Millionen Dollar erwartet.

Beide genannten Werke ziert im Katalog ein neues Symbol: Das Fragment einer Büroklammer steht für sogenannte "Irrevocable Bids" und damit ein intern abgesichertes Gebot. Ob es sich dabei um eine Art schriftliches Gebot von einer Institution, einem Kunsthändler oder Sammler handelt, oder Sotheby's selbst gedenkt, dieses Werk zu erwerben, wird wohl nie öffentlich bekannt werden. Gesichert ist, dass man etwa beim aktuellen Angebot an sechs Lots eine Beteiligung hält, die zwischen 18,5 und 27 Millionen Dollar einspielen sollen.

Einen Etappensieg hat Sotheby's jedenfalls im Rittern um die Gunst für Restitutionsware dieser Tage für sich entscheiden können. Nach jahrelangem Kampf mit den tschechischen Behörden erhielten die Erben nach Oskar Federer vor kurzem von der Galerie der bildenden Künste (Galerie vytvarného umenì) in Ostrava ihr Gemälde von Oskar Kokoschka zurück: Istanbul I, gemalt im Juni 1919 und in Wien zuletzt im Rahmen der Retrospektive im Kunstforum Länderbank 1991 gezeigt, soll im Rahmen der Impressionist Sales am 3. Februar 2009 in London im Bereich von 1,2 und 1,8 Millionen Pfund den Besitzer wechseln. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.10.2008)

Diesen Artikel auf http://derStandard.at lesen.

© 2008 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.