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vom 18.10.2005 - Seite 021
Spanische Bild-Delikatessen

70 Ölgemälde, 35 Zeichnungen, 11 Tapisserien samt ihrer Entwürfe: Das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) zeigt bis 8. Jänner die erste große Ausstellung des berühmten spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828) in Österreich. Prädikat: Höchst sehenswert!

VON IRENE JUDMAYER

"Ich will mit Tatsachen beweisen, dass es in der Malerei keine Regeln gibt." - Oh, nein! Das ist keine Aussage eines schrägen Konzeptkünstlers der Jetztzeit. Diese Aussage wurde vielmehr schon im 18. Jahrhundert getätigt. Und zwar vom - neben Velazquez (17. Jhd.) und Picasso (20. Jhd.) - bedeutendsten spanischen Maler Francicso de Goya. Gestern Abend wurde im KHM seine erste monographische Ausstellung in Österreich eröffnet.

Sehr, sehr gerührt

"Die umfangreichste, die jemals außerhalb Spaniens stattgefunden hat!", zeigte sich auch Miguel Zugaza, der Direktor des Madrider Museo Nacional del Prado beeindruckt: "Direktor Seipel hat uns gezeigt, wie man Goya auch anders präsentieren kann. Ich bin sehr, sehr gerührt."

Die sowohl eindrucksvolle als auch poetisch inspirierende Präsentation sei die Rechtfertigung für die Anstrengungen, die für den Prado mit dem Werk-Verleih verbunden war. Denn eines ist klar - eine Schau dieser Größenordnung ist nur in einer umfassenden Allianz möglich. Im Falle Goyas durch Kooperationen mit der Berliner Nationalgalerie, dem Prado und privaten Leihgebern. Was und wie Manuela Mena - bekannteste Goya-Forscherin und Kuratorin der Ausstellung - all diese Exponate zusammengestellt hat, ist schlicht und einfach Weltklasse.

Magnetisierend

Spanische Bild-Delikatessen, kulinarisch angerichtet auf anthrazit-grauen Wänden, von perfekt austarierten Spots effektvoll in Szene gesetzt. Magnetisierend ist schon die erste Begegnung: Gegenüber des Eingangs räkelt sich "La Marquesa de Santa Cruz" auf rotseidendem Sofa. Ein Hauch von zartrosa Brustspitze drängt aus ihrem blendend weißen Trägerkleid.

Schnell wird jene Faszination spürbar, die das bahnbrechende Werk und Goyas schillernde Persönlichkeit bis heute auf uns ausüben. Ein herbes, ästhetisch berückendes Wechselspiel aus Schatten und Licht. Perfekt gesetztes gleißend weißes Strahlen. Ob es sich nun um Lichtreflexe auf den Federn hingestreckter "Waldschnepfen" (1808) handelt, um ein wild flackerndes "Feuer in der Nacht" (1793) oder um ein irritierendes Sonnenfenster im "Hospital für Pestkranke" (1798). Die Inhalte spiegeln Goyas Zwiespältigkeit. Sein Spannungsfeld zwischen ehrgeizigem Aufstiegswillen und dem Bedürfnis nach Freiheit. Opportunismus neben Unbeugsamkeit.

Besonders deutlich vermittelt wird diese Ambivalenz in der klugen Kabinettstruktur der graphischen Räume: Hier balgt sich auf lavierten Pinselzeichnungen Schöngeist pur neben Zynismen auf Inquisition und Adel. Und was könnte diesem Thema Mensch wohl mehr gerecht werden als der brillante "Esel auf zwei Beinen" (1824) - eine ewig gültige Metapher auf alle (Selbst)Täuscher quer durch die Jahrtausende?

Info: www.goyainwien.at

Biographie in Kürze

Geb. am 30. 3. 1746 in Fuentetodos (Spanien). Begann 13-jährig Malerlehre in Saragossa. 1770 Reise nach Italien, 2. Preis bei Wettbewerb in Parma. Erste Freskenaufträge ab 1772. 1774 Umzug nach Madrid. Große Porträtaufträge, 1793 nach Krankheit völlig taub. 1799 Radierserie-Capprichos durch Inquisition verboten. 1824 Emigration nach Frankreich. 16. 4. 1828 in Bordeaux gestorben .

DER MALER FRANCISCO DE GOYA

Meisterbeispiel für Francisco de Goyas brillanten Umgang mit Farbe: "Der Sonnenschirm" (1777)

Foto: KHM


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