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22.08.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerie Fotohof: Malerische Fotos - Galerie Johannes Faber: Knaben

kunstraum

Die zeitgenössische Fotografie scheint am Kunstmarkt gerade eine Talfahrt zu beginnen. Zwar kann dieses Medium laut einer Statistik von "Artprice.com" im Zehnjahres-Schnitt mit plus 118 Prozent die größte Preissteigerung von allen verbuchen, seit einem Jahr allerdings ist ein Verlust von 2,1 Prozent festzustellen. Der Boom, den die deutschen Becher-Schüler Ruff, Gursky, Struth in den 90er Jahren ausgelöst haben, ist vom Run auf die Malerei ihrer Leipziger Kollegen abgelöst worden. Genauso wie die einst so geliebte Tiefenschärfe in der Fotografie von einer Tendenz ins Abstrakte verdrängt bzw. ergänzt zu werden scheint. Seine neuen Fotografien, die Thomas Ruff zurzeit bei der Biennale Venedig zeigt, sind etwa in grobe Pixelraster aufgelöst, wirken verwaschen. Der 1963 in München geborene Michael Wesely wählt eine andere Verfremdungs-Taktik: Seit zehn Jahren arbeitet er mit einer extremen Ausdehnung der Belichtungszeit. Die kann zum Beispiel bei seiner Aufnahme des New Yorker MoMA zwei Jahre lang dauern - in einem einzelnen Foto ("Open Shutter") fing er so die gesamten Umbauarbeiten des Museums ein, ein zartes Gewirr aus Linien legt sich über das ansonsten klare Bild. Derart macht Wesely das "Sichtbare unsichtbar" und im Gegenzug dazu die Zeit sichtbar. Unter dem Titel "Die Erfindung des Unsichtbaren" sind jetzt im Salzburger Fotohof seine Werkzyklen der letzten zehn Jahre ausgestellt (8000-13.000 Euro). Porträtfotos werden durch eingefangene Bewegung genauso malerisch, wie sich ostdeutsche Landschaften durch die lange Belichtungsdauer zu eleganten abstrakten Gemälden verwandeln. (Bis 3. September, Erhardplatz 3, 5020 Salzburg)

Galerie Johannes Faber: Knaben

Nackte junge Knaben sind das späte künstlerische Schicksal des Fotoreporters Will McBride. 1953 als US-Soldat nach Deutschland gekommen, entschied er sich zu bleiben und hielt berührend Straßenszenen des Nachkriegsalltags fest. Er wurde Hauptfotograf des Magazins "Twen", war selbst Teil der Jugendkultur, fotografierte etwa die legendäre "Kommune 1", deren Mitglieder sich für ihn zu einer Art Familienbild nackt in ihre aufgetürmten Kartonschachteln schlichteten. Das köstliche Zeitdokument ist zurzeit um 1800 Euro bei Fotogalerist Faber zu erstehen. Skurril auch sein Aufklärungsbuch "Zeig Mal" für Kinder und Eltern, wegen dessen Offenherzigkeit er 1968 sogar kurzzeitig Deutschland wieder verlassen musste. Heute frönt McBride in seiner Fotografie lieber makellos glatten, starr stehenden Knabenkörpern, die er auch in ebensolche Skulpturen verwandelt. Eigentlich ein trauriger Abgesang. (Bis 26. August, Brahmsplatz 7, Wien 4.) Almuth Spiegler

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