"Dutzendfach verbratene Klischees"

Stefan Sagmeister über seine Kreationen etwas anderer Plattencover, die Visualisierung von Musik und den Kontakt zu Stars. Ein Gespräch mit
Simon Hadler.


Rolling Stones, Lou Reed, Aerosmith: Sie alle und viele mehr vertrauen beim Design ihrer Platten- und CD-Covers dem Austro-New-Yorker Stefan Sagmeister.

Stefan Sagmeister
Stefan Sagmeister
Als Absolvent der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und des Pratt Institute in Brooklyn betreibt Sagmeister seit 1993 sein eigenes Designstudio in Manhattan. Trotz seines großen internationalen Erfolges weigert er sich, sein Zwei-Mann-Studio, das er mit seinem isländischen Co-Designer Hjalti Karlsson betreibt, zu erweitern. Ebenso wenig will er in neue, digitale Bereiche expandieren.

Stefan Sagmeister präsentierte am Donnerstag im Rahmen der Ausstellung stealing eyeballs im Künstlerhaus Wien einige seiner Arbeiten. Simon Hadler sprach für ORF ON Kultur mit dem internationalen Designer:

ON Kultur: Wie kommt man auf die Idee, Cover-Designer zu werden?

Sagmeister: Ich war mit 17 in einigen miserablen Bands. Habe entdeckt, dass mir die Gestaltung der Verpackung mehr Spaß macht als die Herstellung der Musik.

ON Kultur: Was macht für Dich die Faszination am Cover-Design aus?

Aerosmith-Cover
Aerosmith-Cover
Sagmeister: Klein und tragbar - international. Cover wird meist nicht weggeworfen - im Gegensatz zu fast allem anderen Grafikdesign. Die Visualisierung von Musik, da muss man nicht von fertigen Bildern ausgehen wie beim alten Langweiler Filmplakat. Oder Ideenfindung durch Musikhören. Meetings mit Musikern sind Meetings mit Middle-Managern vorzuziehen - unzerbrechlich, just kidding.

ON Kultur: Gibt es einen bestimmten Prozess, wie Deine Zusammenarbeit mit Musikern abläuft, deren Cover Du gestaltest?

Sagmeister: Beim ersten Treffen haben die Musiker meist ein erstes, rohes Band. Es gibt also etwas zum Anhören. Ich versuche, von der Person, die die Musik bzw. die Texte geschrieben hat, möglichst viel über Entstehungsgeschichte, Richtung und die Einflüsse zu erfahren. Ich vermeide es sehr, über das Cover selber zu sprechen. Dann zurück in unser Studio. Wir lassen das Tape spielen, ohne am Cover zu arbeiten. Dann erst wird gearbeitet. Nach ca. vier Wochen zeigen wir einen Prototyp. Falls der gefällt, wunderbar. Falls nicht, nochmals von vorne.

ON Kultur:Was ist Dein All-Time-Lieblingscover?

Sagmeister: "Sticky Fingers" der Rolling Stones, gestaltet von Andy Warhol und Craig Braun, und "XTC Go2" von Hypnosis.

ON Kultur: Bei Plattencovers hat man manchmal den Eindruck, es hätte alles schon einmal gegeben. Wie sticht man noch aus der Masse hervor?

Lou Reed (Zum Vergrößern anklicken)
Lou Reed (Zum Vergrößern anklicken)
Sagmeister: Ja, das kommt mir auch so vor. Jedes Musikgenre hat seinen Look und die dazugehörenden Klischees, die dann dutzendfach verbraten werden. Diese Klischees sind am einfachsten zu vermeiden, wenn die Interessen des Gestalters außerhalb der Grafik oder Musikgrafik liegen und die Einflüsse von anderen Gebieten wie z.B. Wissenschaft, Kunstturnen und so weiter kommen.

ON Kultur: Und welche Interessen sind das bei Dir und wie äußern sie sich in den Covers?

Sagmeister: Wie gesagt - erstens Wissenschaft: Postkarten, die Sonnenuhren sind und Schallplatten spielen können, CD-Covers, die Text dekodieren, Poster, die Goldfische beinhalten. Und zweitens Kunstturnen: Typografie beim Zirkeltraining.

ON Kultur: Du scheinst viele Deiner Ziele bereits erreicht zu haben: Ein Design-Studio in New York zu betreiben, Dir einfach Zeit nehmen zu können. Wie Dein momentanes, einjähriges Sabbatical. Jetzt könntest Du Dich eigentlich einmal zurücklehnen. Wie sehen Deine Pläne aus?

(Zum Vergrößern anklicken)
(Zum Vergrößern anklicken)
Sagmeister: Mein Studio macht ab Oktober 2001 wieder Kundenaufträge. Da gibt es einige, die ich gerne machen würde: z.B. die Coca-Cola-Dose oder eine Verpackung für österreichische elektronische Musik. Oder ein rein experimentales Buch...

ON Kultur: Die Coca-Cola-Dose?

Sagmeister: Es gibt viele ausgezeichnete Grafiker, die ausschließlich obskure Bands und kleine Filme bewerben. Gleichzeitig werden Objekte, die weltweiten kulturellen Einfluss haben - wie die Cola-Dose - von den Deppen in den Marketing-Abteilungen designed. Das ist schade.

ON Kultur: Wer schwebt Dir als Partner von den Wiener Elektronikern vor?

Sagmeister: Ich mag Louie Austen gern, aber auch die Dorfmeisters und den Platzgummer Hans, der ist allerdings ein Tiroler.

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