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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | Museen im Umbruch 
08. März 2005
21:35 MEZ
Von
Thomas Trenkler  
Foto: Kunsthaus Graz/Klamminger
Stadt und Land finanzieren das Kunsthaus Graz mit jährlich 4,2 Millionen Euro. Der Eigendeckungsgrad liegt bei lediglich 16 Prozent.

Fotos: Landesmuseum Joanneum, Lackner/ APA/Kleine Zeitung/Heimo Binder
Infight unter Ausstellungsmachern: Peter Weibel, Medientheoretiker, Polyartist und Leiter des ZKM in Karlsruhe (re.) leistet Peter Pakesch, dem mächtigen Intendanten des Joanneums, Widerstand. Denn er kämpft um die Autonomie der Neuen Galerie in Graz.

Umfehdeter Grazer Zentralismus: Das Landesmuseum Joanneum
Das Haus ist ein regelrechter Konzern: Die neue Struktur mit einem Intendanten, der nicht nur das Department Kunst leitet, sondern auch Chef des Kunsthauses ist, sorgt für anhaltend massive Kritik

Graz - Der Zug der Zeit machte auch vor dem Joanneum nicht Halt: Das steirische Landesmuseum wurde 2003 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliedert; mit Peter Pakesch (Intendant) und Wolfgang Muchitsch (Direktor) erhielt es eine neue Geschäftsführung. In der Folge nahm das Joanneum einen beachtlichen Aufschwung. Doch das Organisationsmodell wird heftig kritisiert. Zum Beispiel von Peter Weibel, dem Chefkurator der Neuen Galerie.

Um seine Kritik plastisch werden zu lassen, greift Weibel auf den steirischen herbst zurück. Das Festival sei am erfolgreichsten gewesen, als es noch keinen Intendanten gab, sondern ein Programmkuratorium beziehungsweise Direktorium. "Das Budget war derart gering, dass man sich gar keinen Intendanten leisten konnte: Das Programm wurde von den Mitveranstaltern gemeinsam erstellt. Aber ein Intendant muss sich profilieren, er muss für sein Parallelprogramm Dramaturgen und Kuratoren bezahlen, er muss Räume anmieten und so weiter: Die Kosten explodierten. Diese absurde Logik gipfelte darin, dass der herbst sein eigenes Haus haben wollte."

Seit 2003 hat der herbst sein eigenes Haus - und wäre ob der Kosten fast Bankrott gegangen. "Die List-Halle ist das sichtbare Symptom dafür, dass mit dem Intendantenprinzip etwas nicht stimmt. Dass die Kulturpolitik daraus keine Konsequenzen gezogen hat, bedeutet eine Verlängerung der Krise", sagt Weibel. "Vor allem, weil man dieses Modell erstmals auch auf die Museumslandschaft angewandt hat. Alle Abteilungen, darunter die Alte Galerie wie die Neue Galerie, wurden dem Intendanten unterstellt. Das wäre nicht ganz so schlimm, wenn der Intendant nicht auch der Chef des Flaggschiffes, des Kunsthauses, wäre."

Pakesch leitet aber sehr wohl das Department Kunst, und zu diesem gehört auch das von ihm geleitete Kunsthaus. "Ich sehe die Gefahr einer strukturellen Unvereinbarkeit, die gegen zwei demokratische Grundrechte verstößt: das Gleichbehandlungsgesetz und das in die EU-Verfassung eingeschriebene Subsidiaritätsprinzip, das Kompetenzen regelt", sagt Weibel. "Der Intendant müsste eigentlich alle Abteilungen selbstständig arbeiten lassen, gleich behandeln - und dürfte nicht den Leiter des Kunsthauses, der er selber ist, bevorzugen."

"Man scherzt bereits"

Das spektakuläre Kunsthaus strahlt in der Tat über Graz hinaus und lässt die anderen Abteilungen des Joanneums verblassen. Dadurch hätten sich die Wertigkeiten umgedreht, meint Weibel: "In der Szene scherzt man bereits über das ,Landesmuseum Joanneum am Kunsthaus Graz'. Jeder wünscht sich ein erfolgreiches Kunsthaus, aber die Frage ist: Wie weit darf der Erfolg des Kunsthauses auf Kosten der anderen Abteilungen des Joanneums gehen?"

Für die Konstruktion kann Pakesch nichts: Das Kunsthaus wird gemeinsam vom Land Steiermark, das 55 Prozent der Abgeltung beisteuert, und der Stadt Graz finanziert. Es gehört daher zwar zum Joanneum, hat aber ein eigenes Budget, das nicht transferiert werden darf. Und dieses ist im Verhältnis sehr hoch: Für das größte Universalmuseum Österreichs mit 19 Abteilungen und zwölf Standorten stellt die öffentliche Hand jährlich 13,5 Millionen Euro zur Verfügung, für das Kunsthaus hingegen, das nur Ausstellungen organisiert und aufgrund seiner Attraktivität viel leichter Sponsorgelder lukrieren kann, deren 4,2 Millionen.

Dass sich sein Kunsthaus in einer bevorzugten Situation befindet, will Pakesch auch gar nicht leugnen. Den Vorwurf, es zu bevorzugen, bestreitet er aber: Es sei gelungen, auch die anderen Ausstellungen ähnlich intensiv zu bewerben. "Früher hätte eine Schau wie Dresscode überhaupt nicht beworben werden können. Eben weil es kein Budget für Werbung gab. Das haben wir erst ermöglicht."

In Folge der Umstrukturierung wurden zentrale Verwaltungseinheiten eingeführt. Dies brachte für die Neue Galerie einen Verlust an Autonomie mit sich: "Wir waren sehr erfolgreich, weil wir in Fragen des Programms, der Ankäufe, der Werbung eigenständig agieren konnten", meint Weibel. Das hat sich nun geändert: "Die Intendanz kauft für die Neue Galerie ein und will uns Eröffnungstermine, Programminhalte und deren Ausstellungsfläche vorschreiben. Die Neue Galerie ist einer Welle von Verordnungen, Weisungen und Schikanen ausgesetzt. Ihr wurde der Entwurf eines Vertrages vorgelegt, der sie mehr oder minder entrechten würde."

"Nicht mehr so effektiv"

Generell meint Weibel: "Nach der fragwürdigen Ab-beziehungsweise Versetzung von zwei Abteilungsleitern herrscht Management per Verunsicherung." Es sei "ein neuer bürokratischer Zentralismus" feststellbar. "Er führt dazu, dass die Kosten steigen. Das weiß man aufgrund der Erfahrungen im Ostblock: All die Länder, die zentralistisch regiert wurden, sind nicht nur aufgrund ihrer Ideologie zugrunde gegangen, sondern wirtschaftlich. Es konnte sich eben niemand mehr die DDR leisten. Der Zentralismus führt zu viel mehr bürokratischen Arbeitsgängen. Wir können nicht mehr so effektiv arbeiten wie früher."

Pakesch räumt zwar ein, dass man "die Situation als eine zentrale sehen kann", er vermeidet aber tunlichst das Wort Zentralismus: "Ich denke, die Organisationsstruktur birgt viele Chancen. Sie ist auf jeden Fall eine Herausforderung." Die Neue Galerie dürfe sehr wohl "programmatisch unabhängig agieren. Aber es ist klar, dass es Abstimmungen mit dem Kunsthaus geben muss. Und das ist bisher auch ziemlich gut gelungen." Was man in der Neuen Galerie nicht so sieht: Pakesch versuche, das Profil, die Identität aufzuweichen. Was dieser abstreitet: Ihm gehe es immer um das Joanneum als Ganzes.

Der Intendant hat sich daher auch mit den Touristikern auseinander zu setzen, die sich vermarktbare Großausstellungen wünschen. Weibel kann deren Anliegen verstehen: "Ich habe ganz bewusst die Schiele-Werke der Sammlung Leopold gezeigt. Warum sollen Ausstellungen der klassischen Moderne nur in Wien stattfinden? Also nur in der Metropole? Das würde nämlich bedeuten, dass sich Graz selbst zur Provinz erklärt."

Pakesch hingegen kontert: "Ich bin für jede Kooperation mit den Touristikern, aber das Programm lasse ich mir nicht von ihnen vorgeben. Es gibt in dieser Stadt keine Tradition für Großausstellungen. Es gab zwar einen Versuch, aber die Impressionismus-Schau war künstlerisch nicht hochwertig. Wir besitzen eine Glaubwürdigkeit in kulturhistorischen Fragestellungen und bei der Kunst seit den 60er-Jahren. John Baldessari, derzeit im Kunsthaus, wird in zehn Jahren der Blockbuster sein. Das ist eben die Funktion derer, die an der Peripherie sind: dass sie eine Vorhut spielen. Zudem ist eine Großausstellung auch eine Frage des Budgets. Und ein derart großes Budget haben wir nicht."

Aber es gibt noch ein weiteres Problem: Das Stadtmuseum, in dem wichtige Ausstellungen heimischer Künstler stattfanden, verlegt seinen Schwerpunkt auf die Stadtgeschichte. Und das Kulturhaus gab die Stadt mit dem Bau des Kunsthauses auf. Dort wurden aber auch Grazer Positionen gezeigt, während das Kunsthaus international ausgerichtet ist. Für die heimischen Künstler sind daher zwei Foren verloren gegangen.

"Negative Entwicklung"

"Das ist eine sehr negative Entwicklung", sagt Weibel. "Eigentlich wurde das Kunsthaus als trigon-Museum, initiiert von Günther Waldorf, den heimischen Künstlern versprochen. Denn es gibt sehr viele Künstler, die schon längst wissenschaftlich erarbeitete Retrospektiven verdient hätten. In der Neuen Galerie müssen wir auf eine Mischung achten. Nur wenn heimische Künstler in einer Reihe mit internationalen Künstlern gezeigt werden, nobilitiert sie das. Wenn wir lediglich steirische Künstler zeigen würden, wären wir ein Regionalmuseum - und würden auch keine Subvention vom Bund erhalten. Dann könnten wir niemandem mehr helfen."

In dieser Frage ist Pakesch der gleichen Meinung: "Der Wegfall von Stadtmuseum und Kulturhaus macht die Situation für viele heimischen Künstler nicht einfacher. Im Kunsthaus möchten wir aber die Szene stärker einbinden: Wir wollen kleine Formate für die Jungen entwickeln. Und wir arbeiten an einem Projekt mit dem Arbeitstitel dispositiv trigon, das sowohl internationale Strömungen wie die heimische Szene abdecken soll." Was aber nicht ganz einfach sei, weil die Künstler zum Image passen müssen: "Günter Brus und Fritz Panzer sind in der Neuen Galerie besser aufgehoben. Erwin Wurm und Richard Kriesche hingegen würden ins Kunsthaus passen", sinniert Pakesch.

Erleichterung verspricht er sich auch von der Neukonzeption für das Künstlerhaus, das bisher von Vereinen bespielt wurde. Pakesch hat bereits eine neue Struktur mit einem Kuratorium, in dem die Künstlervereine, das Land und die Stadt vertreten sein sollen, erarbeitet. "Jeder kann Vorschläge einbringen, das Kuratorium legt das Programm fest", sagt der Intendant. Der Probebetrieb soll 2006 starten. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.03.2005)


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