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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
10. November 2004
12:00 MEZ
Von
Markus Mittringer

"Africa Screams"

5. November bis 30. Jänner

Kunsthalle Wien im Museumsquartier, Halle 2,

Tgl. 10 - 19, Do 10 - 22

Link

kunsthallewien.at

 
Grafik: KunsthalleWien/ Sammlung Pascal Saumade, La Pop Galerie
Anonym: Videoposter, Ghana 2000 (Ausschnitt des Plakatmotivs)

Foto: KunsthalleWien
Jane Alexanders Visionen einer Welt voller Mutanten. Die 1959 geborene Künstlerin unterrichtet Fotografie in Kapstadt

Der Ursprung der Angst
Die Kunsthalle Wien zeigt "Das Böse in Kino, Kunst und Kult". Die Ausstellung heißt "Africa Screams" und ist ungemein traurig

Sie zeigt, dass letztlich die Großeltern doch Recht damit hatten, sich vor den schwarzen Anderen zu fürchten.


Wien – Afrika war schon immer eine andere Reise wert. Schließlich ist die Destination ungemein ergiebig, was Geschichten betrifft, die im Westen immer noch anerkennendes Schaudern hervorrufen. Und schwarz, wie der Kontinent im Volksglauben nun einmal verankert ist, muss von dorther einfach die Angst kommen. Stimmt!, sagt die Kunsthalle Wien. Weil: Africa Screams!

Und in der Tat überkommt einen das Fürchten, ehe man noch vor Ort gewesen ist. Was wohl wird diesmal die Überraschung sein? Und was wohl die Ausrede dafür, die Kunst so regional gepackt zu deuten, wie weiland Heinz Sielmann die Fauna? Schließlich schreiben wir doch das 21.Jahrhundert und einen ungemein erweiterten Kunstbegriff. Exotik ist uns längst fremd, das Andere als eineiiger Zwilling geläufig geworden. Das Wissen um das Paarungsverhalten der Löwen haben wir längst höher als jenes um die Fortpflanzungstechniken des gemeinen Rotwildes gestellt, und die Sache mit der Grenzüberschreitung hat Michel Foucault schon Studenten erzählt, die heute das Alter frühpensionierter Führungskräfte erreicht haben.

Mutter Erde

Und was machen wir? Afrika-Ausstellungen! Und wieso schieben wir die Grenze so brav vor uns her? Weil die Ausstellungen echt gut laufen. Die halten sich nun schon gut zehn Jahre und sind außerdem gut für das schlechte Gewissen. Und darüber hinaus kann man heutzutage in ein paar Flugstunden schon mitten in Mother Earth sein, ganz tief im Ursprung der Welt.

Und das macht es Kuratoren natürlich leichter, von dort etwas mitzubringen. Und außerdem haben bedenkliche Ereignisse in der Geschichte dafür gesorgt, dass Afrika ohnehin überall ist – in Paris, in London, in den Niederlanden. Jedenfalls ist der schwarze Mensch recht populär, wenn er Kunst macht. Und um diese enorme Anziehungskraft nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen, haben sich die Kunsthalle Wien und das Iwalewa-Haus zu Bayreuth und das Museum der Weltkulturen in Frankfurt im Kollektiv gedacht: Eine Ausstellung muss her!

Eine, die endlich "Das Böse in Kino, Kunst und Kult" zeigt, eine, die den Reiz des Ritual- und Maskenwesens spürbar macht, eine, die zeigt, wo der Bartl den Schrecken herholt. Und da so eine Ausstellung ja heutzutage zuallererst immer eine kommunikationstechnische Herausforderung darstellt, musste ein geeignetes Cover gefunden werden, die pädagogisch besonders wertvolle Absicht auch flächendeckend zu transportieren.

Und jetzt ziert das Buch zur Volksschau eben eine breitbeinig ergebene Schwarze, die gerade vom Schwanz einer männerköpfigen Riesenschlange penetriert wird, während sie Geldscheine spuckt. Und daneben steht dann eben, in kreativer Typografie und mit Glanzlichtern versehen: Africa Screams! Das zergeht auf der Zunge wie Eiscreme. Das geht echt rein. Und: Das hat ein enorm kritisches Potenzial. Das bringt das viele auf den Punkt. Und lässt auch gleich vermuten, was hinter dem Cover zu entdecken ist.

Dort finden sich Aufsätze, die ungelesen schon ganz fantastisch sind: "An der Schwelle", "Mächte der Nacht", "Großstadtfieber und Hexenmeister", "Kannibalischer Terror", "Nigerianische Moritaten", "Die Realität des Okkulten", "Die Erotik des Bösen", "Ein Hexenkessel verruchter Zaubertaten", "Nackt", "Die Wunde des Seins", "Schwarzer Schrecken".

Dermaßen zombifiziert und angetörnt von der Geißel des Neokannibalismus möchte man auf der Stelle frisches Hühnerblut und haitianischen Rum verspritzen, ehe man sich, anstatt eine banale Eintrittskarte zu lösen, als Initiationsritus in der Kunsthalle die Eichel spalten und die Lippen dehnen lässt.

Sicher: Das Hässliche ist immer und überall. Aber die Geborgenheit im neuen Wissen darum, woher es kommt, tut echt gut.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.11.2004)


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