Monströse Zukunft?

Die aus Italien stammende Patricia Piccinini fragt mit ihrer Objekt-Kunst nach den Folgen gentechnologischer Experimente.
Von Sabine Oppolzer.


"We are family" heißt die Rauminstallation, mit der die Künstlerin Patricia Piccinini im australischen Pavillon bei der Biennale in Venedig viel Aufsehen erregt hat.

"The young familiy" (Zum Vergrößern anklicken)

Sie zeigt frankensteinartige Kreaturen, beseelt und leibesbedürftig wie ihre Vorfahren, die Menschen. Wird es solchen "Unfällen", die in gentechnologischen Labors gezeugt werden, künftig erlaubt sein zu leben?

Manipulative Gestaltungskraft

Ein fettes, menschenähnliches Monstrum liegt da wie eine Sau, die ihre Jungen genüsslich an den Zitzen saugen lässt. Das Tier blickt zufrieden vor sich hin und hat gute Chancen, zum meistfotografierten Objekt der diesjährigen Biennale zu werden.

Die Gestaltungskraft von Patricia Piccinini ist ungeheuer manipulativ: Selbst plumpe Silikon-Klumpen wirken so babyhaft, dass selbst die allerhässlichsten Kreaturen den Beschützerinstinkt des Betrachters erregen. Rattenähnliche Wesen etwa mit menschlichen Gesichtern, die sich niedlich aneinanderkuscheln oder häufchenartige behaarte Stammzellenwucherungen, die sich auf bizarre Art durch den australischen Pavillon bewegen.

Von Kindern ins Herz geschlossen

"Herkömmliche" Menschenkinder, die diese Wesen voll Neugier - und keineswegs mit Abscheu - betrachten, sind Bestandteil der Installationen. Die Kinder spielen mit diesen großen und kleinen Monstren und haben sie offensichtlich wie lebendige Kuscheltiere ins Herz geschlossen - als gehörten sie dereinst zu ihrem Alltag.

"Game Boys Advanced" (Zum Vergrößern anklicken)

Eine der Skulpturen wirkt von weitem ganz naturalistisch: Zwei Buben lehnen an einer Wand und spielen mit ihrem Gameboy, als wären sie gerade von der Straße hereingekommen. Ein zweiter Blick offenbart allerdings ihren raschen Alterungsprozess: Man erkennt faltige Gesichter, alte Augen und Hände von 60-Jährigen.

Von Dolly inspiriert

Inspiriert wurde Patricia Piccinini zu dieser Arbeit von Dolly, dem Klonschaf. Dolly alterte sehr rasch und musste zu Beginn dieses Jahres eingeschläfert werden, wie die Künstlerin erzählt. Geklont konnten inzwischen auch Mäuse, Rinder, Ziegen oder Kaninchen werden. Nicht gelang dies jedoch bei Primaten.

Obwohl Harry Griffin vom Roslin-Institut in Großbritannien und quasi "Stiefvater" von Dolly heftig beteuert, dass er Menschenklone für gänzlich unmöglich halte, schenkt Patricia Piccinini dieser Aussage wenig Glauben und stellt die Frage: "Was wird mit den Kreaturen geschehen, die aus 'Labor-Unfällen' dieser Forschungen entstehen, in die wir so große Hoffnungen setzen?"

Frankenstein-ähnliche Kreaturen

Piccini schafft diese Wesen mit Charakter und beseeltem Blick, hilflos und menschenähnlich trotz abstoßendem Äußeren. Für die Künstlerin sind nicht Wertungen wie "gut" oder "schlecht" der springende Punkt, sondern die Frage: Wie gehen wir mit diesen Entwicklungen um?

Für Patricia Piccinini sind das Frankenstein-ähnliche Kreaturen: Auch Frankenstein schuf ein Wesen, dem er nicht einmal einen Namen gab. Auch dieses Wesen, das nicht wusste, wie es auf diese Welt geworfen wurde, wünschte sich eine Mutter und eine Gefährtin. In seiner großen Einsamkeit rächte es sich schließlich an seinem Schöpfer und tötete Frankenstein.

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