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Kunstunterricht: "Ärgerlich, schandhaft!"

28.02.2007 | 18:11 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Experten finden den Kunstunterricht in Österreich dürftig. Es sei ein "Kulturskandal", dass man in der Oberstufe einer AHS zwischen Musik und Zeichnen wählen müsse.

Viele unverbindliche Übungen, vor allem in Musik und Instrumentalkunde, wurden in den letzten Jahren gestrichen“, ein düsteres Bild malt Ex-Stadtschulratspräsident Kurt Scholz auf die Frage, wie es mit der Kunsterziehung in Österreich stehe: „Ein echter Kulturskandal ist, dass man in der Oberstufe der Allgemein bildenden höheren Schule wählen muss zwischen Zeichnen und Musik. Und das im Lande Schönbergs, der Maler und Musiker war, und Mahlers, der mit Loos befreundet war. Architektur und Film finden in der Schule gar nicht statt. Die Literaturpflege wurde drastisch reduziert. Kunst wird heute nur mehr im privaten Bereich vermittelt. Und das ist immer eine Frage, ob es sich die Eltern leisten können oder wollen. Die Situation ist bestürzend, schandhaft und ärgerlich“, findet Scholz.


Illusionen über das Künstlerdasein

Ein Gutteil der Kunststudenten wählt den Lehrberuf. Die Kunstpädagogik betreute auf der Universität für angewandte Kunst früher Erwin Wurm: „Das Problem ist, dass viele Kunsterzieher in den Schulen gar keine einschlägige Ausbildung absolviert haben. Die Schule ist die einzige Zeit, da der Normalbürger mit Kunst in Berührung kommt. Wenn das gut gemacht wird, kann das den Blick für die Welt öffnen, wenn nicht, ist alles verhaut. Ich selbst hatte Glück. Ich hatte Norbert Nestler, der mich sehr gefördert und gefordert hat. Allerdings glaube ich, dass ich auch ohne Förderung Künstler geworden wäre“, meint Wurm.

In der deutschen Fachzeitschrift „Theater heute“ war kürzlich zu lesen, dass die Zahl der Künstler seit 1991 von 40.000 auf 150.000 gestiegen ist. „Die Gründe, warum Leute Kunst studieren wollen, sind oft merkwürdig“, sagt der Rektor der Wiener Akademie der bildenden Künste Stefan Schmidt-Wulffen: „Da hat einer einen Van-Gogh-Kalender gesehen, und jetzt möchte er ein Zweiter Van Gogh werden. Da gibt es die Sehnsucht nach einem freien Leben, oder jemand hat dem jungen Menschen gesagt: ,Du bist begabt.‘ Das Studium an der Kunstuniversität beginnt daher erst einmal mit einem Prozess des Entlernens und Neulernens. Das dauert. Handwerk und Einfallsreichtum allein sind nicht genug. Es ist auch nötig, dass, wenn man z.B. Bildhauer werden will, man weiß, was die Bildhauer der letzten Jahrzehnte gemacht haben.“

Kunstunterricht in Schulen? „Besteht leider zu sehr aus Pinsel, Farbe und Wachsmalkreiden und viel zu wenig aus Kunstgeschichte, die zeitgenössische Kunst wird in der Schule fast gar nicht vermittelt“, kritisiert Schmidt-Wulffen. Die Grundausstattung der Maturanten in Sachen Kunst nennt er „dürftig“. Die Akademie reorganisiert im Moment die Kunstpädagogik. Immerhin sind die Hälfte der Akademiestudenten Lehramtsstudenten. Von diesen geht aber wiederum die Hälfte nicht in die Schulen, sondern in gestalterische Berufe, etwa Web Design. Theorie, Alltagskultur, Mode, Stil, Kleidung etwa, Ästhetik sollen künftig wichtiger werden in der Kunstpädagogik: „Wir wollen die Kinder da abholen, wo sie sind. Man muss auch viel aktiver auf die Schulen zugehen“, betont Schmidt-Wulffen.


Kann man Kreativität lernen?

Wie sollte die Kunstausbildung in einer Kulturnation wie Österreich aussehen? Kann man Kunst lehren, Kreativität lernen? Reicht der Schulunterricht in musischen Fächern aus? Fehlt das Geld? Was sollen Eltern tun?

Über alle diese Fragen diskutieren heute, Donnerstag, 1.März, 18.30h im Radiokulturhaus Christa Ludwig, Opernstar und Unterrichtende, Ex-Kunstminister und Kontrollbank-Vorstand Rudolf Scholten sowie der Professor für Kunst- und Kulturwissenschaften Herbert Lachmayer, auch Vorstand des Da-Ponte-Instituts. Moderation: Bundestheater-Holdingchef Georg Springer. bp

Inline Flex[Faktbox] INFO: „Unterrichtet Kunst!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2007)

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