VN Sa, 20.12.2003

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MEINUNG

Es wird altern in Schande

VON WALTER FINK

Wien ist eine großartige Stadt. Gerade jetzt, vor Weihnachten, ist die Stadt voll von Touristen aus aller Welt. Unsere Bundeshauptstadt hat eine Internationalität, eine Popularität unter den Städtereisenden erreicht, die in Europa ihresgleichen sucht. Angesichts des Angebotes wundert das auch nicht, große Kunst ist ebenso zu finden wie alte Tradition. Im Moment gibt es die wunderbaren Weihnachtsmärkte am Spittelberg oder auf der Freyung ebenso wie im ehrwürdigen Burgtheater eine Aufführung eines Jelinek-Stückes in der Regie von Christoph Schlingensief, es gibt Ausstellungen zur Weltkunst ebenso wie eine zu Helmut Qualtinger. Gerade jene zu Qualtinger ist in dieser Form nur in Wien vorstellbar. Allein der Titel, der da vom Historischen Museum der Stadt Wien - vom neuen Leiter Wolfgang Kos auf interessanten Weg gebracht - gefunden wurde, ist großartig: Mit "Quasi ein Genie" wird an "Quasi" Helmut Qualtinger erinnert, in Dokumenten, in Ton und Film. Es sind Erinnerungen an eine interessante Zeit in Wien, Erinnerungen an einen herausragenden, nur in Österreich denkbaren Schauspieler, Kabarettisten und Rezitator.

Wenn man dieses Museum betritt, fällt noch etwas auf, das an eine andere Zeit erinnert. An der Eingangswand kann man nämlich folgendes lesen: "Dieses Gebäude des Historischen Museums der Stadt Wien wurde 1953 errichtet, um den Bundespräsidenten der Republik Österreich, den vormaligen Bürgermeister von Wien, Dr. h.c. Theodor Körner anläßlich seines 80. Geburtstages zu ehren." Das stelle man sich einmal heute vor: Anläßlich des Geburtstages eines bedeutenden Politikers wird vom Bund, von einem Land oder einer Stadt ein Museum gestiftet. Die Politiker gibt es offensichtlich nicht mehr, nicht mehr die, die so etwas tun würden, nicht mehr auch die, die sich solcher Ehre würdig erweisen, das überhaupt nur als Ehre empfinden würden. Und man rede jetzt nicht davon, daß das eine andere Zeit war, heute sei das finanziell gar nicht mehr möglich. 1953, da war der Zweite Weltkrieg gerade einmal acht Jahre vorbei, da schwamm auch die Stadt Wien nicht gerade im Geld, da waren noch nicht einmal die Schäden des Krieges behoben.

Heute strahlt Wien in seiner ganzen Schönheit, wie gesagt, eine großartige Stadt. Was allerdings nicht heißt, daß alles so wunderbar ist. Wenn man nämlich derzeit die Albertina besucht, dann wird der Blick auf die wunderbaren Gebäude von einem von der Albertina herausragenden Element gestört. Man wundert sich, was das wohl ist. Und man erinnert sich: Da hat doch der neue, die Öffentlichkeit und die Medien nicht gerade scheuende Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder einen Auftrag an Österreichs Star-Architekten Hans Hollein gegeben. Das Vordach, das da auf den Platz herausragt, hat nicht nur keine Funktion, es stört auch das gesamte Ensemble, den gesamten Altbestand im Umkreis. Daß der Sponsorenname auf der Seite prangt, ist weiterer Unfug.

Aber es mußte nach Schröder etwas geschehen, es mußte ein prominenter Name her. Und da besinnt man sich eines Zitats des Kunsthistorikers Andreas Lehne: "1983 erfolgte die Bestellung von Hans Hollein zum Vorsitzenden des Gestaltungsbeirates für Stadtbildpflege in Wien, der in der hierzulande bewährten Personalunion von Bock und Gärtner ein breites Betätigungsfeld gefunden hat. Hollein gehört nämlich zu einer Gattung von Architekten, in deren Mittelpunkt nicht der Genius Loci steht, sondern ausschließlich die Befriedigung der eigenen Eitelkeit." Das Vordach der Albertina kann nur aus solchen Überlegungen resultieren. Ein Fall auch für ein Wort von Kästner, der einen Vergleich zwischen Alt und Neu in der Kunst angestellt hatte: "Dieses Neue, es wird altern in Schande." Jetzt schon sieht das Vordach von Hans Hollein alt aus gegen die alte Umgebung, alt im Geist nämlich. Das Dach plaziert sich nicht gleichberechtigt neben die alte Bausubstanz, es schlägt sich eine Bresche. Wie die Axt im Walde. Eigentlich sollte man es wieder abtragen.

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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der alten Rechtschreibung.




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