DER STANDARD, 30. Juli 2001


    GALERIENRUNDSCHAU    

Aus der Neuen Welt

Immer mehr Wiener Galerien auf Sommerfrische an der Salzach


Anselm Wagner

Wiens Galeristinnen haben einen neuen Kontinent entdeckt. Heike Curtze war ihr Kolumbus und löste einen wahren Goldrausch aus. Seither brechen von ihrer abgegrasten Ersten (Bezirks-) Welt jeden Sommer mehr Händlerinnen auf gen Westen und schlagen am Salzachufer ihre Zelte auf, mit allerlei Kunden und Journalisten im Marschgepäck, die nur bei ihnen kaufen und nur über sie Kunde verbreiten.

Das grämt die derart kolonisierten Ureinwohner sehr, und grollend ballen sie die Faust in der leeren Tasche. Aber der STANDARD wiewohl der Alten Welt entstammend, hat ein Herz für Indianer und versucht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen dem roten Manne wie der weißen Frau, auf dass sie ewig in Frieden und Eintracht nebeneinander Handel treiben mögen, zum Festspiel der Kunst und ihrer Verehrer!

Beginnen wir unseren Bericht also mit den Eingeborenen. Bei Maxkunst zeigt Udo Klapf verwirrend betörende Umrisszeichnungen, die einen in Spielzeuglandschaften und Spiegelkabinette entführen, aus denen man kaum mehr herausfindet. Die Perspektiven stürzen, die Maßstäbe wechseln, eine aus allen Richtungen blasende Sturmböe wirbelt das Interieur durcheinander. Klapf entwirft Bildschirmgeburten von der schwülen Erotik eines Balthus, perspektivisch verrenkt wie die Vexierspiele von Maurits Escher.
5020 Salzburg, Steingasse 16, Tel.: (0662) 88 29 49. Bis 15. 9.

Die U.B.R. Galerie wartet mit den Folien-Kuben von Thom Barth auf. In Form von Tetrapaks sind da SW-Fotokopien von Denkmälern des Weltkulturerbes aufgereiht, dazwischen auch mal Yves Klein und Madonna. Der Friedrichshafener Künstler-Philosoph stülpt das imaginäre Museum aus zweiter und dritter Hand aus unserem Kopf hinaus, und baut aus transparenten Bauklötzen jene ideelle Welt, die entsteht, indem wir uns Bilder von ihr machen: entleert und jedem Kontext entrissen, aber auch offen und verfügbar für unendliche Kombinatorik. Ebenso einfach wie komplex.
5020 Salzburg, Bergstr. 11, Tel.: (0662) 87 07 86. Bis 8. 9.

Die Riege der Wiener Kolonialherrinnen wird diesmal von Ursula Krinzinger angeführt. In gleich zwei Lokalen zeigt sie in musealer Qualität Revolutionäres aus Russland. In der Getreidegasse sind großteils unbekannte Zeichnungen, Objekte und Plakate von Malewitsch, El Lissitzky, Rodtschenko & Co zu entdecken. Konstruktivismus und Propaganda gingen damals Hand in Hand, ehe Stalin die Verbindung zerschlug und den künstlerischen Part in den Gulag schickte. Besonders erstaunlich: wie in den 20ern das Sixties-Design vorweggenommen wurde, das jetzt wieder ein Revival erfährt. Im AVA-Hof gibt Moscow: Paradise 2001 Einblick in die aggressive, trostlose, radikale und stets ironisch gebrochene Kunstszene der Moskauer Gegenwart. Natürlich ist der Hunde-Künstler Oleg Kulik dabei, der durch seine Beiß-Überfälle auf Museumsbesucher bekannt wurde, und die Kitschbrüder Vladimir Dubosarskiy und Alexander Vinogradov, die auf Bestellung sozialistisch-realistische Riesenschinken malen, allerdings mit sehr westlichen Pop- und Pornomotiven. Zu entdecken: Igor Moukhins Kartonhäuschen, die er russischen Ikonen entnimmt und so grellbunt optimistisch (und dabei schleißig) daherkommen lässt wie Tatlins Denkmal für die III. Internationale.
5020 Salzburg, Getreidegasse 22; AVA-Hof, Griesgasse 2, Tel.: (0662) 84 37 15.
Bis 31. 8.

(Fortsetzung folgt)


© DER STANDARD, 30. Juli 2001
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