Etwas mehr als sechs Monate vor Beginn
des Kulturhauptstadtjahres 2003 sind die Vorbereitungen in Graz schon in
vollem Gange wie Intendant Wolfgang Lorenz im Interview erläutert. Die
Realisierung von rund 100 Projekte sind in Arbeit. Davon sind mehr als
zwei Drittel fixiert. 20 Prozent würden sich noch konkretisieren. Die
Stimmung in der Stadt habe sich insgesamt sehr zum Positiven gewandelt,
2003 habe in vielen Belangen - etwa der Infrastruktur - schon jetzt große
"Schubkraft" entwickelt.
Heimische Szene und Gäste
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Wolfgang Lorenz / ©Bild:
APA |
Lorenz hält die Mischung aus heimischen Kulturproduzenten - sowohl der
Hochkultur als auch der freien Szene - und internationalen Gästen für
gelungen. Rund 80 Prozent der Projekte stammten aus der Grazer Szene oder
würden mit ihrer Hilfe realisiert. Eine Instrumentalisierung von
vorhandenen Einrichtungen, etwa des "steirischen herbst", der auch
außerhalb seiner angestammten Jahreszeit Programme offerieren wird, könne
er nicht sehen: "Wir ersetzen ja nicht bestehende Institutionen, sondern
ergänzen Bestehendes und schaffen Mehrwert für ein Jahr." Es gebe keine
namhafte Institution, mit der man nicht zusammenarbeite: "Es wäre ja
töricht, wenn wir eine innere Konkurrenz errichten würden".
Ein Generationswechsel?
Wolfgang Lorenz bekennt sich auch dazu, vermehrt junge Künstler zu
fördern. Trotzdem finden sich so etablierte Namen wie wie Valery Gergiev,
Henning Mankell, Gert Jonke oder Bodo Hell. Und ein Verdikt auszusprechen,
dass jeder, der über 49 ist, ausscheidet, wäre in den Augen des
Programmmachers "zynisch und die falsche Haltung". Dass viele Highlights
von etablierten bzw. älteren Kunstschaffenden gesetzt werden, gibt Lorenz
zwar zu, aber die Menge an Jungen, "die drankommen", sei "eine
riesengroße". Das Erscheinungsbild von Graz 2003 wird in Summe ein
jugendliches sein."
Die "Stadt der Volkserhebung"
Nicht gelten lassen will Lorenz den Vorwurf, man habe es verabsäumt,
zur unrühmlichen Rolle von Graz in der NS-Zeit Position zu beziehen. Er
verweist auf das Projekt "Uhrturm-Schatten", das von ihm, Lorenz, selbst
"politisch aufgeladen" worden sei. Weiters wird es in Graz Ruth
Beckermanns Projekt "Die Gedächtnisse Europas", den "Berg der
Erinnerungen" und die Ausstellung "Kunst und Krieg" geben. Die sieben
Jahre "nicht glorreicher Vergangenheit" würden natürlich eine Rolle
spielen, doch Graz nur als "Stadt der Volkserhebung" darzustellen, wäre
unproportional.
Die politische Zusammenarbeit
Das Intendantenprinzip, also die Alleinverantwortung für das Programm,
habe sich bewährt, so Lorenz. Natürlich sei versucht worden, ihn zum
Auftragnehmer der Interessen Dritter zu machen. Mit der Zeit habe sich ein
immer konstruktiverer Prozess ergeben, auch wenn es "Reibebäume" gab:
"Gott sei Dank", so Lorenz, "wenn Graz 2003 nicht auch Reibung erzeugen
würde, wär' es ja fad". Kein einziges Projekt sei "abgedreht" worden, weil
es "politisch unkommod" gewesen sei: "Und es sind ein paar dabei, die sind
unkommod, das gehört zum Geschäft." Über die Politik und den Umgang der
Politik mit ihm und seinem Team könne er sich nicht beklagen, ganz im
Gegenteil: "Das ist ein Kampf, ganz klar, aber der Umgang mit uns ist im
Großen und Ganzen ein fairer und konstruktiver."
Das Jahr 2004
Die Befürchtung, dass die Stadt nach 2003 vor allem finanziell
ausgeblutet sein und 2004 die große Depression folgen könnte, teilt Lorenz
nicht. Ziel sei es, über das Jahr 2003 "einen Prospekt" zu machen, der das
künftige Graz beschreibe: "Ich glaube, dass sich Graz einen
außerordentlichen und exemplarischen Ruck gibt". Graz bereite sich
gewissenhaft und verantwortlich vor, wie es andere Kulturhauptstädte nicht
getan hätten. Die Stadt sei schon jetzt dabei, sich sehr zu verändern.
Graz 2003 werde laut Lorenz zeigen, was hier sein könnte - im Konjunktiv.
"Wenn sich dann 2004 alle denken, jetzt legen wir uns auf die faule Haut,
dann wäre das eine Katastrophe, aber das glaube ich nicht. Die größte
Nachhaltigkeit sind die Menschen, nicht die Häuser."
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