Als im Jahr 1955 der Kasseler
Kunstprofessor Arnold Bode die erste documenta organisierte, setzte er ein
deutlich wahrnehmbares Zeichen, daß die gerade erst souverän gewordene
Bundesrepublik nach den Jahren des nationalsozialistischen Terrors den
Anschluß an die internationale Moderne zurückgefunden hatte. Die
Ausstellung, die sich unerwartet schnell als Welterfolg entpuppte, trat
mit einem konkreten didaktischen Konzept an: Es sollte ein direkter Bezug
zur 1937 von den Nationalsozialisten organisierten Ausstellung "Entartete
Kunst" hergestellt werden. Der lange abgerissene Kontakt mit der
internationalen Kunstszene sollte, vor allem für ein junges Publikum,
demonstrativ wiederhergestellt werden. Die erste documenta zeigte über 570
bedeutende Werke der wichtigen Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts.
Picasso und Mondrian waren mit umfangreichen Werkkomplexen vertreten.
Schon mit der zweiten
documenta wurde der Vorwurf des Gigantismus laut, der die Schau bis
heute nicht losgelassen hat. Dem Erfolg tat dies aber keinen Abbruch. Im
Gegenteil: was den Zuspruch des Publikums angeht, können die Macher der
documenta auf eine beispiellose Erfolgsgeschichte zurückblicken. Vor allem
die vergangene documenta
X war ein wahrer Publikumsmagnet. Über 620.000 Besucher sorgten für
einen ansehnlichen Überschuß in den Kassen. Das ist für Veranstaltungen
dieser Art nicht selbstverständlich.
Nach der enzyklopädischen Sichtweise der von Catherine David
konzipierten documenta X wird vom Organisator der diesjährigen documenta,
dem erfahrenen und als kompromißlos bekannten gebürtigen Nigerianer Okwui
Enwezor, nichts anderes erwartet, als die demonstrative Demontage des
selbstgefälligen westlichen Kulturbetriebs. Internationalismus und ein
deutlicher Bruch mit eurozentrischen Traditionen sind bei Enwezor
Programm. Nicht mehr den Künstler als Subjekt, sondern die Wahrnehmung der
"Wissensproduktion" durch Kunst stellt Enwezor in das Zentrum seines
spröde anmutenden Konzepts. Die konkrete Themenfindung wurde auf
fünf "Plattformen"
verlagert, die an Orten mit geopolitischer Brisanz den Rahmenbedingungen
für die Entstehung von Kunst diskursiv nachspüren sollten. Der Erfolg der
documenta 11 wird letzlich nicht von konzeptionellen Präliminarien,
sondern von der Inszenierung der Ausstellung abhängen. Zu diesem Aspekt
hat Enwezor bis dato beharrlich jede Auskunft verweigert.
Hans
Peter Trötscher, F.A.Z.-Archiv
Lesen
Sie hier einen kleinen Rückblick auf die Geschichte der documenta mit
Auszügen aus Originalrezensionen aus der F.A.Z.