Farbe aus der Natur

"Der Weg ist das Beiseite-lassen dessen,
was nicht mitgehen will."
Ein Nachruf von Rainer Elstner.


Noch mit 85 Jahren pflegte Max Weiler täglich sechs Stunden im Atelier an den für sein Werk so wichtigen Problemstellungen zu arbeiten. "Ich möchte Naturdinge noch besser in Farbe umsetzen. Diesen Versuch mache ich alle Tage."

Max Weiler mit Gattin Yvonne / ©Bild: APA
Max Weiler mit Gattin Yvonne / ©Bild: APA

Zur Beschreibung von Max Weilers Lebensläufen bieten sich verschiedenste Künstlermythen an: Der starrsinnige Tiroler, der bis zuletzt an seinem Weg festhielt und in der chinesischen Malerei geistige Verwandte fand. Der aufmüpfige Künstler, der die Tiroler Volksseele zum Kochen gebracht hat. Der geachtete Lehrer, der in den ereignisreichen 68er Jahren eine Klasse an der Bildenden geleitet hat. Der Doyen der Kunstszene, dem im hohen Alter die größten Einzelausstellungen gewidmet wurden. Der selbstkritische Einzelgänger, dessen Frau und Managerin den Namen Weiler zur viel beachteten Marke gemacht hat. Der Grenzgänger und große Unbequeme, wie Bundeskanzler Schüssel den Verstorbenen würdigte.

Respekt vor der Natur

Die Künstler der chinesischen Sung-Malerei, einer Epoche zwischen dem zehnten und dreizehnten Jahrhundert, bezeichnete Weiler immer wieder als seine geistigen Brüder, denen er sich zutiefst verbunden fühlte. Sie kennzeichnete tiefer Respekt vor der Natur, der jeden Beherrschungswillen, selbst den der malerischen Perspektive, ausschließt. An seine Stelle tritt das Bedürfnis nach Teilhabe an der Natur. So dominiert bei den chinesischen Malern ein Interesse an in der Natur wirksamen Kräften.

Zum Vergrößern anklicken / ©Bild: APA
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"Auch Weilers Bilder handeln von den Kräften der Natur. Wo sie tätig werden, tritt die Welt der fassbaren Dinge zurück, verschwindet die fixierende Ordnung der Raum- oder Farbperspektive. Der Blick wandert stattdessen mit, angeleitet vom Geschehen, in das ihn der Maler involviert", so Gottfried Boehm im Katalog zur großen Weiler-Ausstellung, die 1999 im Künstlerhaus zu sehen war.

Überall das Gleiche

Zustande kommen soll ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Kräften auf der Leinwand und in der Natur. Weiler in einem seiner Tag- und Nachthefte, die er von 1960 an dreißig Jahre lang geführt hat: "Eine große Mure reißt vom Gipfel des Berges eine Rinne bis ins Tal, 1000 Meter lang ... Und ein Tropfen rinnt durch eine feuchte, dicke Farbschicht und wäscht eine Spur heraus, fünf Zentimeter lang. Überall geschieht das Gleiche..."

Neuland entdecken

Max Weiler wurde am 27. August 1910 in Absam bei Hall in Tirol geboren. Als junger "Provinzler" versuchte er unter dem Einfluss der Jugendbewegung "Neuland" eine Erneuerung von Kunst und Leben auf der Basis franziskanischer Frömmigkeit. 1930 wurde er in die Akademie der bildenden Künste in Wien aufgenommen. Preise und Stipendien zeugen von früher Anerkennung. 1934 lernte er den Philosophen Ludwig von Ficker kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband und von dem er eine Serie von Porträts angefertigt hat.

Eine gemeinsame Ausstellung mit Clemens Holzmeister scheiterte an der Annexion Österreichs, Weiler verließ Wien. Der Krieg - Weiler überdauert ihn als Hilfslehrer und Soldat am Balkan - treibt ihn nahe den Selbstmord.

Skandal um Fresko

Als Weiler 1945 ein Fresko in der Theresienkirche auf der Hungerburg bei Innsbruck malte, entzündete der Künstler eine Kontroverse mit der Kirchlichen Obrigkeit, den Tiroler Bauern und den Innsbrucker Bürgern. 1948 wird dem Tiroler ein Prozess wegen "Herabwürdigung des Bauernstandes" gemacht. Gegenstand des Verfahrens: "Der Lanzenstich", ein Fresko an der Ostwand der Kirche. Ausführender des letalen Stiches ins Herz Jesu ist in Weilers Interpretation ein Tiroler, ein Schützenhauptmann in Speckbacher Tracht.

Max Weiler / ©Bild: APA
Max Weiler / ©Bild: APA

Das traf mitten ins Tiroler Herz. Das Nachkriegsösterreich hatte einen seiner ersten Kunstskandale - und fand auch gleich zu einer prototypischen Lösung. Mit Hilfe seines Freundes Paul Flora verhängte Weiler die beanstandeten Fresken, noch bevor vom Vatikan die Order kam, sie zu beseitigen. Erst acht Jahre später wurden sie wieder dem Blick der Öffentlichkeit freigegeben.

1955 gab es erneut heftige Auseinandersetzungen: Weiler erregte mit der Ausgestaltung des Innsbrucker Bahnhofs das Publikum. Verhängt wurde diesmal nichts.

Biennale

Steil bergauf ging es im folgenden Jahrzehnt. 1960 war Weiler Österreich-Vertreter auf der Biennale von Venedig, 1961 erhielt der den Österreichischen Staatspreis. 1964 wurde er Professor an der Akademie in Wien.

Viel später, nach dieser Bilderbuch-Karriere, nach seiner Emeritierung und nach dem Tod seiner Frau, setzte Weiler zu einem neuen Höhenflug an. Ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre hatte der Maler, wohl nicht zuletzt durch den Einsatz seiner Managerin und zweiten Frau Yvonne, so viele Einzelausstellungen in- und außerhalb Österreichs und so viele dickleibige Kataloge wie kaum ein anderer österreichischer Künstler.

Und Weiler hatte ein Werk, vor allem ein Spätwerk, das seinesgleichen sucht, so der Kunsthistoriker Wieland Schmied: "Das Spätwerk Max Weilers ist eine Art Summe seines Lebensweges und die beiden entscheidenden Elemente kamen hier ganz harmonisch zusammen: Das abstrahierte Landschafts- oder Naturbild verbindet sich mit einem spirituellen Element, so dass Natur als Schöpfung erscheint. Das hat Max Weiler erreicht und das machte ihn einzigartig."

Links:

Ausstellung Landesgalerie OÖ
Max Weiler, Sammlung Essl
Online-Ausstellungs-Katalog

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