Überall auf der Welt sammeln Ballons Daten zum Klima: Nin Brudermann macht die staatenübergreifende Kooperation sichtbar.
Krems - Es ist Mitternacht. Draußen in der stockfinsteren Nacht steht ein Mann mit einem Ballon. Doch er spielt nicht. Er betreibt Klimaforschung - und das nicht allein. Jeden Tag um 12.00 und 24.00 Uhr Weltzeit (UTC) steigen in fast allen Ländern der Welt Wetterballons, um Daten über den Zustand der Erdatmosphäre zu sammeln. Nicht durch ein komplexes Netz aus Wirtschafts- und Kriegsbeziehungen ist die Weltgemeinschaft hier verbunden, sondern durch ein gemeinsames Forschungsziel.
Der in New York lebende Künstlerin Nin Brudermann (geb. 1970 in Österreich) gefällt diese Vorstellung: Ballons steigen wie von einem überdimensionierten Jahrmarkt in den Himmel auf. Ein Bild, in dem sich politische, ökologische und kulturelle Realitäten vermischen. Genau solche "Nischen-Welten" sind es, die die Künstlerin mit ihren Arbeiten schaffen will: Orte, aus deren Perspektive heraus man die Gleichzeitigkeit mehrerer Realitäten wahrnehmen kann. Brudermanns Werke sind eine von Forschergeist beseelte, mit Raum und Zeit spielende Reality Show.
Für ihre Arbeit NASD Projekt Fledermaus (2004) mischte sie sich unter Wissenschafter, die auf einem ehemaligen Militärgebiet eine Fledermauskolonie erforschten. Mit einer Helmkamera be-gleitete sie deren nächtliche Exkursionen. Die Videoaufnahmen verarbeitete sie gemeinsam mit Dokumenten und lebenden Pflanzen zu einer Installation. Naturwissenschaft trifft Politik trifft Kunst.
"Allah be praised"
Auch in der Installation in Krems vereinen sich diese Realitäten. Seit 2002 sammelt Brudermann mithilfe der betreffenden Staaten Videoaufnahmen, die das Steigen der Wetterballons dokumentieren. Ergänzt werden diese Aufnahmen durch allerlei dokumentarisches Beiwerk: Fotos und Schriftverkehr zwischen der Künstlerin und den offiziellen staatlichen Organisationen.
Mit kugeligen Pins sind auf einer großen Weltkarte alle Startorte der Wetterballons markiert. Auf Zettelchen hat Brudermann den mühsamen Prozess der Video-Beschaffung kommentiert: "Is still quiet. Sent more Emails", steht da oder "Allah be praised, it's on it's way". Ein bürokratischer Hürdenlauf. Noch immenser ist sicherlich jener, mit dem die Staatengemeinschaft sich zu ihrem utopisch anmutenden Projekt formiert: Ballons steigen zu lassen im Dienste der Klimaforschung. (Andrea Heinz, DER STANDARD - Printausgabe, 27./28. November 2010)
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