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17. April 2009
18:09 MESZ

Humoristisches Bacchanal von Faustino Bocchi: Zwischen 25.000 und 50.000 Euro erwarten die Experten "im Kinsky" für diesen "Festtag im Zwergenreich".


Warten auf die Überraschung
Bis zu 7,7 Millionen Euro will man "im Kinsky" einspielen - Für Spannung sorgen Gemälde, die Rubens und van Dyck zugeschrieben werden

Auf gut 19.500 Quadratzentimetern Leinwand hinterließ Faustino Bocchi (1659-1742) ein humoristisches Bacchanal: lebenslustige Zwerge, die gemeinsam mit Insekten ein Fest feiern, das, wie es scheint, bereits vor der Ankunft des Ehrengastes begonnen hat. Heuschrecken streuen Blumen und schiffen als Gondoliere die Besucher an Land. Die soeben einem Boot entsteigende Zwergendame nimmt unverkennbar eine zentrale Stellung ein, in ihre Richtung eilt ein Kavalier, der seiner Herzenskönigin gleich ein Blumensträußchen überreichen wird. Inhaltlich wie malerisch schuf Bocchi hier ein drolliges Fest der Sinne, das in seinem Fantasiereichtum zwischen Archimboldo und Hieronymus Bosch einzuordnen ist.

Im Gegensatz zu seinen anderen vergleichbaren Arbeiten, die meist auf Kabinettstück-Größe reduziert blieben, nimmt das Format eine Sonderstellung ein. Vergleichbar ist vorliegender, aus Wiener Privatbesitz stammende Festtag im Zwergenreich mit einem annähernd identisch komponierten Gemälde in einer Mailänder Privatsammlung. Allerdings herrscht dort ein erbitterter Kampf der Zwerge gegen die Insekten.

Den bislang höchstdotierten Besitzerwechsel in einem Auktionssaal verzeichnete Sotheby's 2005 in London für ein 24 x 30 cm kleines Gemäldepaar - es zeigt Zwerge mit überdimensionierten Musikinstrumenten "spielend" - bei umgerechnet 95.970 Euro. Für die aktuell in Wien angebotene Rarität beziffern die hauseigenen Experten ihre Erwartungen mit 25.000 bis 50.000 Euro. Zur Auktion gelangt es im Rahmen der 73. Kunstauktion "im Kinsky" , die am 21. und 22. April zwischen 4,3 und 7,7 Millionen Euro in den Sektionen Alte Meister, Klassische Moderne und Zeitgenössische Kunst sowie Antiquitäten einspielen soll.

Oder auch deutlich mehr, wenn sich überzeugte Altmeister-Fans nicht um den Status "zugeschrieben" scheren. Ein spezielles Kapitel der Kinsky-Chronik sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen: Mit 20.000 Euro starteten im Oktober 2004 die Gebote für ein dem Umkreis Frans Hals zugeschriebenes Werk (Porträt des Willem van Heythuysen), der Hammer fiel bei 440.000 Euro (brutto 571.000) zugunsten eines Telefonbieters aus der Schweiz. Der Käufer hatte sich von der Meinung des international anerkannten Hals-Experten Seymour Slive - er sah in diesem Bild eine Kopie - wohl nicht beeindrucken lassen. 3,5 Jahre später glänzte das Bild, geadelt durch ein neues Gutachten als authentisch am Cover eines Sotheby's-Auktionskatalogs. Am 9. Juli 2008 traf der Kunstmarkt im Zuschreibungs-Disput sein vorläufiges Urteil - für stolze 8,9 Millionen Euro wechselte es in London den Besitzer.

Derlei Gewinnspannen sind nicht die Norm, aber durchaus möglich. "Der Markt wird entscheiden, ob unser Rubens und unser Van Dyck den jeweiligen Mindestverkaufspreis von 50.000 oder auch drei Millionen Euro wert sind", gibt sich Kinsky-Experte Michael Kovacek gelassen. Der um 1635 auf Eichenholz skizzierte Raub der Sabinerinnen galt lange Zeit als Van Dyck, seit 1939 allerdings als eigenhändige Ölskizze von Peter Paul Rubens.

Zweimal wurde die Holztafel als Rubens ausgestellt, nach mehreren Besitzerwechseln landete sie in einer österreichischen Sammlung. Die Mehrheit der Rubens-Forscher ist überzeugt, dass es sich um den Entwurf zu dem großen Monumentalgemälde der Londoner National Gallery handelt. Nur einer war es nicht, der im Jahr 2002 verstorbene deutsch-amerikanische Kunsthistoriker Julius Samuel Held.

Genau umgekehrt ist die Situation bei Anthonis van Dycks Porträt Königin Henrietta Marias. Der Van-Dyck-Experte Erik Larson sagt Ja und behauptet, in dem auf 100.000 bis 200.000 Euro taxierten 2,2 Meter hohen Ölbild handelt es sich nicht nur um die beste, sondern die Originalversion. Seine Kollegen, Autoren des 2004 erschienenen Van-Dyck-Œuvrekatalogs, konnten sich dieser Meinung bislang nicht anschließen. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 18./19.04.2009)

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