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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
23. Dezember 2005
18:55 MEZ
Von Nora Theiss

David Goldblatts "Intersections"
in der Camera Austria, Graz
Bis 26. 2.  
Foto: Goldblatt/Camera Austria
David Goldblatt nutzt Computer als Äquivalent zur Dunkelkammer, um der Wirklichkeit im Bild nahe zu kommen.

Landschaft im Wandel
Ausstellung von David Goldblatts "Intersections", eine über 50 Jahre andauernde fotografische Bestandsaufnahme des gesellschaftlichen Wandels in Südafrika

Graz - Ausgehend von der Idee, alle Kreuzungspunkte der Längen- und Breitengrade ("intersections") in Südafrika zu fotografieren, die er sehr bald wieder fallen gelassen hat, haben die jüngsten Fotografien David Goldblatts Schnittpunkte zum Inhalt, die Spuren des Alltags in der Gesellschaft und der Landschaft Südafrikas reflektieren.

Schnittpunkte, die sich durch die neuen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Südafrika nach dem Ende der Apartheid manifestieren. Goldblatts uvre aus mehr als fünfzig Jahren umfasst Fotografien, die das Leben in Südafrika abseits des Spektakels und jenseits medialer Verwertbarkeit darstellen. Zu Zeiten des Apartheidregimes hat er durchwegs in Schwarz-Weiß fotografiert, was ihm erstens formal angebrachter erschien, als auch mehr Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung in der Dunkelkammer ermöglichte. Die Farbfotografie hielt dem künstlerischen Anspruch Goldblatts nicht stand, war zu weich, zu lieblich, zu repräsentativ. Dies veränderte sich mit den technischen Möglichkeiten, die ihm die digitale Drucktechnik bietet.

Goldblatts Fotografien sind weit entfernt von dokumentarischer Wirklichkeitsdarstellung. Äquivalent zur Dunkelkammer bedient sich der Künstler nun des Computers. Sein Blick ist so beharrlich wie distanziert, nüchtern und unprätentiös. Die Technik geht über einen primär ästhetischen Standpunkt hinaus und gewährt Goldblatt eine Kontrolle des Ausdrucks. So zeigen die Intersections auf der einen Seite eine unglaubliche Vielfalt an Bildern von Südafrika, auf der anderen Seite handelt es sich um eine Reihe von Fotografien von höchster künstlerischer Qualität. Der Werkzyklus lässt sich in einzelne Werkgruppen unterteilen, die in der Ausstellung in der Camera Austria durchwegs eingehalten werden. Die Landschaft spielt eine große Rolle, da sich hier Machtverhältnisse aus der Apartheid-Zeit ebenso wie der gesamten kolonialistischen Geschichte ablesen lassen, sei es an Verläufen von Zäunen oder den erschütternden Bildern von aufgelassenen Asbestminen.

Die Auseinandersetzung mit Johannesburg, wo Goldblatt lebt, zeigt am intensivsten die Veränderungen, die in den Jahren seit der Aufhebung der Apartheid vonstatten gegangen sind. Das Land ist kein geteiltes Land mehr, sondern wird von allen geteilt.

Mitunter mischen sich auch amüsante Ansichten in den Werkzyklus, wenn es zum Beispiel um die Fotografien von Denkmälern geht. David Goldblatt sagt den Südafrikanern einen Hang zum Lächerlichen nach. Ambivalent wird dieser Zug in der Darstellung von Docrat's Lavatory. Dieser Gebäudeteil aus Beton war einmal Bestandteil des Wohnhauses der Familie Docrat im Viertel Fietas, Johannesburg, wo indischstämmige Bevölkerung ansässig war und das in den 70er-Jahren geräumt und niedergerissen wurde.

Die Beständigkeit des Gebäudes wird zur Metapher für die Politik der Apartheit. Eine dramatische Entwicklung in der südafrikanischen Gesellschaft stellt die mit 40 Prozent bedrückend hohe Rate an Aidskranken dar. Goldblatt fotografiert Straßenzüge, die zeigen, wie das "Red Ribbon" fixer Bestandteil des Straßenbildes geworden ist. Mit der Camera Austria verbindet David Goldblatt eine lange Kooperation. Neben Veröffentlichungen seiner Arbeit in der Zeitschrift wurde er 1995 mit dem Camera-Austria-Preis der Stadt Graz für zeitgenössische Fotografie ausgezeichnet. Intersections ist Goldblatts erste Einzelausstellung in Österreich. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2005)


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