"Bekennt Euch zu Eurer Angst" | |
Gute Resonanz ("Ikone von Venedig") auf sein Biennale-Projekt macht Schlingensief glücklich. |
Seine Säulenheiligen sind Blickfang und Kuriosität am Eingang der
diesjährigen Biennale in Venedig. Christoph Schlingensief (42) hat sieben
junge Menschen aus sieben Ländern dazu angeregt, sich sieben Tage lang auf
meterhohe Pfähle zu setzen - und dort in freiwilliger Askese zu
verharren. Eine italienische Zeitung bezeichnete die Aktion als "Ikone" der 50.
Kunstschau am Canale Grande. "Die gute Resonanz macht mich zwar glücklich,
aber mit Zufriedenheit habe ich so meine Probleme, weil dann doch wieder
die Gegenstimmen kommen", sagt der Berliner Theater-Provokateur im
Gespräch mit der dpa. "Demos bringen nichts" Die Idee der Pfahlsitzer, von denen jeder für sich schutzlos der Umwelt
ausgeliefert ist, wurde aus der "Church of Fear" geboren, einer
Gemeinschaft von Menschen, die sich zu ihrer Angst bekennen und deren
Mitglied Schlingensief ist. "Dabei setzt der Mensch wieder auf sich selbst
und schließt sich keiner Masse mehr an. Wir haben ja gesehen, dass
Demonstrationen - etwa gegen Bush - oder sonstige Gemeinschaftsaktionen
von Menschen gar nichts bringen", sagt er.
Das Motto der "Kirche der Angst" sei: "Habt Angst und bekennt Euch zu
ihr!" Schlingensief lächelt: "Das System soll ruhig auch Angst haben, wir
behalten jetzt unsere Angst und geben sie nicht mehr her." Blümchen für die Säulensitzer In Venedig wohnt er auf einem Campingplatz außerhalb der Stadt, kommt
morgens bescheiden zu seinen Säulenheiligen und überreicht jedem ein
Blümchen. Die Aktion ist still, keine von seinen früheren lauten und
spektakulären Inszenierungen. "Viele sagen mir: "Hauen Sie doch mal wieder
richtig auf die Pauke!", aber die Zeit ist nun mal vorbei", sagt
Schlingensief. Weil viele in Deutschland das derzeit nicht verstehen
wollten, sei er besonders froh, seine Kunst auch im Ausland zeigen zu
können. Zur Biennale sei er völlig überraschend eingeladen worden: "Da kam
plötzlich ein Brief aus Venedig mit der Anfrage. Ich dachte zuerst, das
wäre ein Witz." Als der neue künstlerische Leiter Francesco Bonami ihn
dann noch zu sich berief und ihm mitteilte, seine Kunstaktion solle den
Eingang zum Ausstellungs-Gelände der "Giardini" zieren, da sei er völlig
platt gewesen, schmunzelt Schlingensief, der im nächsten Jahr Wagners
"Parsifal" in Bayreuth inszenieren wird. Mehr zum Schlingensief-Projekt in kultur.ORF.at Link:
| ||||||
![]() |