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17.10.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung | ![]() |
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Nitsch & Essl: Baumax und Barockbuddhist | ![]() |
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Karlheinz Essl hat seinem Freund Hermann Nitsch zum 65. Geburtstag eine Retrospektive aus eigenen Beständen gewidmet. Sie gibt Aufschluss über die Entwicklung eines Künstlers und einer Beziehung. Und zeigt, wie sich die Zeiten ändern. | ![]() |
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W Gerade vor dem Hintergrund solcher Einwände eröffnet sich aber die erstaunliche Kraft der Arbeiten. Ein schönes Paradoxon: Ausgerechnet der Mann, gegen den die katholische Kirche den Vorwurf der Blasphemie erhoben hat, besitzt eine Fähigkeit, die der Kirche selbst immer weniger gelingt: Zu zeigen, dass der "Weg nach draußen" auch sinnlich erfahrbar gemacht werden kann. Dieser innere Widerspruch zwischen dem ganz auf
Sublimierung, auf Intellektualisierung, auf das Wort ausgerichteten Zugang
zum Religiösen und der mit ekstatischer Energie betriebenen Freilegung der
sinnlich-archaischen Grundierungen des religiösen Empfindens - Blut und
Tieropfer haben darin immer eine entscheidende Rolle gespielt - hat in der
Freundschaft zwischen dem Weinviertler Barockmenschen Hermann Nitsch und
dem Kärntner Protestanten und "Baumax"-Unternehmer Karlheinz Essl seine
Personalisierung gefunden. Das lange Gespräch zwischen Nitsch und Essl,
das im Ausstellungskatalog nachzulesen ist, wird so zum Bestandteil der
Schau. - Die im ersten Stock gezeigten Arbeiten erscheinen zunächst in
chronologischer Ordnung. Beginnend mit den ersten Schüttbildern aus den
späten fünfziger Jahren wird, durch Arbeiten wie die Reliktkollagen aus
den frühen 60er Jahren und eine Fotodokumentation über das Wirken Nitschs
im Rahmen des Wiener Aktionismus, das Kreisen des Künstlers um die immer
selbe Idee von Geburt, Leid, Fest, und Tod gezeigt. Zugleich wird, gerade anhand der Videodokumentationen, klar, warum sich das Skandalpotenzial dieses Werkes so deutlich verringert hat: Die "Grauslichkeiten" die hier gezeigt werden, können es weder mit den filmischen Gewaltorgien etwa eines Quentin Tarantino ("Pulp Fiction", "Bill Kill") noch mit den Bildern, die wir rund um den BSE-Skandal in den Nachrichtensendungen gesehen haben, wirklich aufnehmen. Hier zeigt sich auch, wie schal und flach das ewige Gerede vom "Provokationskünstler" Hermann Nitsch geworden ist, wie sehr das Beschwören des Skandals immer die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk ersetzt hat. Durch die Chronologie hindurch wird auch hier dem
dramaturgischen Grundprinzip von Nitschs Arbeit Rechnung getragen: Alles
läuft auf das zentrale Ereignis im 65jährigen Künstlerleben Hermann
Nitschs zu. Am Ende - oder, wenn man die Ausstellung durch den
"Haupteingang" betritt: am Anfang - findet sich die Installation des
Materials der Kapelle des Sechs-Tage-Spiels von 1998, der ersten und
einzigen Realisation des Gesamtkunstwerkes, um das es Hermann Nitsch seit
1957 zu tun ist. Das Verbindungsstück zwischen Kathedrale und Chronologie
bildet in der Rotunde des Museums eine beeindruckende Fotodokumentation
der wichtigsten Aktionen. Dort ist auch auch die Klangquelle jener
Musikinstallation platziert, die der Komponist Karlheinz Essl, der Sohn
des Sammlers, aus dem musikalischen Material Hermann Nitschs montiert hat.
Diese Musik erfüllt als wogender Orgelklang den gesamten Ausstellungsraum.
Am Eingang zur Rotunde, in der die Vergangenheit aufgerollt wird, stößt der Besucher unvermittelt auf die Gegenwart: Das Schüttbild mit Malhemd aus dem Auferstehungszyklus des Jahres 2002. Das strahlende Gelb dieses Osterbildes vermittelt eine Ahnung von der Möglichkeit des kraftvollen Einbruchs von Erlösung in die ewige Wiederkehr von Geburt, Leid und Tod. Dieses Werk bezeichnet den Kern des Schaffens von Hermann Nitsch: ein bildmächtiges Zeugnis der Überwindung der metaphysischen Übel durch das Fest. Biografisches: 1938 wird Hermann Nitsch in Wien geboren. Ende der 50er
entwirft er das Konzept des "Orgien Mysterien Theaters", mit dem er an die
Theorie des Gesamtkunstwerks anknüpfen will. Erste Malaktionen im
Technischen Museum und in Otto Mühls Atelier. 1971 kauft er Schloss
Prinzendorf (NÖ), wo jährlich Aktionen stattfinden (1998:
Sechs-Tage-Spiel). 1960 bis 1966 folgen seiner Aktions- und
Ausstellungstätigkeit Prozesse und Gefängnisstrafen. 1988 bis 2003:
Professur für interdisziplinäre Kunst in Frankfurt am Main.
Nitsch-Retrospektive Sammlung Essl: Bis 11.1.2004, Di
bis So 10-19h, Mi 10-21h, Mo geschlossen. Eintritt 6 Euro.
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