Akademie-Rektor Boris Groys tritt zurück

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Der Rektor der Wiener Akademie der bildenden Künste, Boris Groys, gab Freitagmittag seinen Rücktritt bekannt. Er wird sein Amt nur noch bis Ende November 2001 ausüben. Seinem Karenzierungsansuchen für eine unbefristete Professur an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe wurde - trotz angeblicher diesbezüglicher Zusage des damaligen Kulturministers des Landes Baden-Württemberg, Klaus von Trotha, von Seiten des baden-württembergischen Ministeriums nicht zugestimmt.

Daher konnte der im November 2000 von der Akademie zum Rektor gewählte Groys seinen Dienstvertrag mit dem Bildungsministerium nicht unterschreiben, da dieser ihm die Ausübung einer Professur mit voller Lehrverpflichtung an einer anderen Universität nicht gestattete. Er sei, meinte Groys bei einem Pressegespräch, durch die Rektorswahl voll legitimiert gewesen, der Dienstvertrag wäre nur für seine Besoldung relevant. Er habe also sein Amt bisher unentgeltlich ausgeübt, sehe sich jedoch außerstande, dies weiterhin zu tun.

Position neu ausgeschrieben

Das Kollegium der Akademie der bildenden Künste wird damit innerhalb der gesetzlichen Fristen eine neue Rektorswahl auszuschreiben haben. Bis dahin wird Vizerektor Michael Herbst die Geschäfte zu führen haben. Über die Sinnhaftigkeit einer Vorschrift, die dem Rektor jede Nebentätigkeit untersagt, wollte sich Groys auf Anfrage nicht äußern. "Ich habe da keine Patentlösungen".

"Betroffenheit" auf der Uni

Die Professoren, die Universitätslehrer, die Studierenden und das nichtwissenschaftliche Personal der Akademie der bildenden Künste Wien haben zum Rücktritt eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie den Schritt "mit Betroffenheit" zur Kenntnis nehmen.

"Unter den gegebenen Bedingungen, die mit dem deutschen Dienstrecht und den Beschlüssen des für Prof. Groys zuständigen Ministeriums in Baden-Württemberg zusammenhängen, verstehen und akzeptieren wir diese Entscheidung, obgleich sie eine konstruktive Zusammenarbeit jäh beendet.", wird festgestellt.

Führungsstil "richtungsweisend"

"Prof. Groys wirkte als intellektuelle Persönlichkeit über seine Funktion als Rektor hinaus und vermochte dadurch die Akademie in hohem Maße zu bereichern. Seine Visionen und sein Führungsstil werden für uns auch in Zukunft richtungsweisend bleiben.", heißt es.

Auch seitens des Bildungsministeriums bedauerte der Leiter der Hochschulsektion, Sigurd Höllinger, dass es nicht möglich gewesen sei, einen Vertrag mit Groys zustande zu bringen.

Angemessene Entschädigung

Die bisher von Groys getroffenen Beschlüsse seien rechtsgültig, er sei als gewählter Rektor im Amt gewesen, der Dienstvertrag diene nur zur Abgeltung. Groys habe für seine bisherige Zeit in Wien aber Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Karenzierung abgelehnt

Er habe, betonte Boris Groys, das Amt "in gutem Glauben" übernommen. Nachdem er auf seine mündlichen Anfragen um eine vierjährige Beurlaubung von seiner Professur an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowohl vom damaligen Kulturminister von Baden-Württemberg, Klaus von Trotha, als auch vom Rektorat der Hochschule positive Zusagen erhalten hatte.

Die Antwort auf den im Februar abgesandten offiziellen Brief an den Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg kam dann Anfang Juni mit dem Entscheid, dass das Ersuchen um Karenzierung abgelehnt worden sei. Mit der Begründung, dass ein Urlaub dieser Art gewährt werde, wenn es im besonderen Interesse des Landes sei, was in diesem Fall nicht ersichtlich wäre, berichtete Groys. Auch alle Nachfragen von Seiten der Karlsruher Hochschule, wo inzwischen der Philosoph Peter Sloterdijk das Rektorat übernommen hatte, warum in diesem Fall kein Landesinteresse zu erkennen sei, hätten kein Ergebnis gebracht.

"Unterstützung und Hilfe"

Vor die Wahl gestellt, eine Professur auf Lebenszeit, die mit seinem Namen verbunden ist aufzugeben, um sich nach vier Jahren in Wien vielleicht für eine Zeitprofessur erneut zu bewerben, musste die Entscheidung, auch wenn sie sehr schwer fiel "ziemlich eindeutig" sein, meinte Groys. "Ich wurde ja auch gewählt, weil ich Theoretiker bin und ein Theoretiker kann nichts anderes sein als Hochschulprofessor."

Von Seiten der Akademie habe er alle denkbare "Unterstützung und Hilfe bekommen", meinte Groys. So haben die Professoren und das Kollegium der Akademie Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) ersucht "alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, welche die Aufrechterhaltung seines Rektorats an der Akademie ermöglicht".

Rücktritt definitiv

Sämtliche Lösungsmöglichkeiten hält Groys für "ausgeschöpft". Der "Knackpunkt" lag in Baden-Württemberg, meinte er. Er betrachtet daher seine Rücktrittsentscheidung als definitiv. Bis November wolle er noch in Wien bleiben, um noch anstehenden Projekte zu einem Abschluss zu bringen.
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