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Ausstellungen 
   
   
  73  Wien: Nach 68 - Verlangen & Begehren  Doris Berger  
   
   
Was bleibt von »nach 68«, einer Ausstellung von Rike Frank und Stefan Gyöngyösi, die unter dem Label »Best Before« auftreten? Das Konzept klang vielversprechend, aber die gestellte Frage nach der Relevanz des 68er Erbes für KünstlerInnen, die nach 68 geboren wurden, blieb unbeantwortet. Ob für aktuelle Entwürfe des Begehrens die glorifizierte Zeit um 1968 ausschlaggebend sei, war die zweite Frage, zu der über 20 KünstlerInnen eingeladen wurden, sich im Salle de Bal und der Kunsthalle Exnergasse in Form einer Arbeit zu äußern.
Was veranlaßte nun »Best Before«, abgesehen von dem zur Zeit omnipräsenten Jubiläum, diese Ausstellung zu initiieren? Die Frage nach politischem Handeln in der Kunst in einer als unpolitisch geltenden Zeit und ein Interesse an Retrokulturen führten sie zurück in das Jahr 1968, das momentan durch die historische Aufarbeitung eine Wiederbelebung erfährt. Das ließen die beiden nicht spurlos an sich vorübergehen und traten mit einem theoretisch fundierten Konzept an die KünstlerInnen heran. Das Vorhaben, politische Statements in Form von künstlerisch relevanten Arbeiten von einer größeren Anzahl an KünstlerInnen zu fordern, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Viele Arbeiten, die in der Exnergasse historische Referenzpunkte erkennen lassen und im Salle de Bal eher assoziativ mit dem Thema umgehen, bleiben auf der Ebene der Illustration; oder der Bezug zu 68 läßt sich überhaupt schwer erkennen, wie im Beitrag des KünstlerInnenpaars »the couple«, die ihre Beziehungsschwierigkeiten vor den BesucherInnen ausleben. In der Video-
projektion »Why should I reduce myself when I am in my best age?« onaniert er in verschiedenen Weisen von der Decke auf die BetrachterInnen herab. Sie ist nur mit ihrer Stimme vertreten, die einen Mutter-Tochter-Konflikt austrägt. Er will seine Unabhängigkeit von ihr und sie die von ihrer Mutter. Kunst bloß als Medium der Alltagsbewältigung?
Dagegen sticht Moira Zoitls Arbeit »base-mix«, die sich nicht nur auf Biographisches beschränkt, geradezu heraus. Sie zeigt in einem Video ein Interview mit ihrer Mutter in einem durch und durch inszenierten Setting. Dahinter hängende Fotografien erhellen die Tatsache der Künstlichkeit. Ein zuvor geführtes Gespräch mit ihrer Mutter wird mit Textfragmenten von bekannten Künstlerinnen aus derselben Generation (etwa VALIE EXPORT, Carolee Schneeman) vermengt. Das Konglomerat aus den verschiedenen Aussagen wird im Video von der Mutter in einem fingierten Gespräch mit Zoitl vorgelesen. Über die Erfahrungen mehrerer Frauen, die hier von nur einer Person verkörpert werden, wird den BetrachterInnen ein breiteres Zeitspektrum vermittelt, als dies unter herkömmlichen Umständen möglich wäre.
Diese Komplexität fehlt den meisten anderen Arbeiten. Nicht jedoch dem Konzept, deren Initiatoren genau über diese Zeit informiert sind. So gibt es, der 68er Tradition folgend, Aktionen außerhalb des institutionellen Raumrahmens, wie die Arbeit von PLANb »GRAND PRIX paraSITÉ«, die es den »BesucherInnen« am Naschmarkt überließen, zu demonstrieren oder demonstrieren zu lassen, oder eine von Wally Salner und Meike Schmidt-Gleim veranstaltete Führung durch Wien unter dem Motto »Aktionismus und Militanz in der Frauenbewegung«.
An den eigentlichen Ausstellungsorten wird jedoch meistens nur die Oberfläche des historisch-politischen Themas tangiert, wodurch weniger die Arbeiten in Erinnerung bleiben als ein schaler Nachgeschmack. Letztendlich konnten nur sehr wenige künstlerische Arbeiten einen neuen Diskussionsbeitrag zur Frage nach der heutigen Relevanz des Jahres 68 leisten. Denn daß das Kollektiv für obsolet erklärt ist und die Individualität gesiegt hat, ist ja inzwischen zur Genüge bekannt. (2. April bis 1. Mai, Kunsthalle Exnergasse, 2. April bis 18. April, Salle de Bal)
 
     

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