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Kunstberichte

Die Akademie am Schillerplatz zeigt in "Telenovela" künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Fernsehen

Wie schön der Alltag sein könnte

Vereint vor dem Fernseher: Der Künstler Carlos Perez thematisiert im Bild „und auch deine Mutter . . .“ (2008), wie sehr die tägliche Zusammenkunft vor der Flimmerkiste von klein auf den Familienalltag prägt.  Foto: Carlos Perez

Vereint vor dem Fernseher: Der Künstler Carlos Perez thematisiert im Bild „und auch deine Mutter . . .“ (2008), wie sehr die tägliche Zusammenkunft vor der Flimmerkiste von klein auf den Familienalltag prägt. Foto: Carlos Perez

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Sie gibt vor, ganz nahe am Leben zu sein, für Aficionados prägt sie den Alltag und vielleicht sogar Vorstellungen vom guten Leben: die Telenovela.

Eine Ausstellung in der Aula der Akademie am Schillerplatz beleuchtet nun die Dominanz des Fernsehens und konzentriert sich besonders auf Lateinamerika und die dortige Form der Soap Opera, die als Telenovela Fernsehgeschichte geschrieben hat.

Die Ästhetik des Fernsehens, das auch als Leitmedium öffentlicher Meinungsbildung fungiert, reduziert sich oft auf das Telegene. Dies muss aber bekanntlich noch lange nicht Bildqualität bedeuten und schon gar nicht Integrität oder Objektivität.

Der Peruaner Hansel Sato, die bereits ein interaktives Kunstvermittlungsprojekt auf der letztjährigen Documenta erstellt hat, kuratierte gemeinsam mit Carla Bobadilla die Schau.

Zu den vorwiegend lateinamerikanischen Positionen gesellte sich die Einladung an die österreichische Performance- und Videokünstlerin Katrin Wölger und die Bulgarin Vasilena Gankovska, die seit 2001 in Wien arbeitet. Letztere hat das Synchronisieren über der Originaltonspur in Rumänien oder Bulgarien zur Zeit des Ostblocks für ihre "Dialoge über die Liebe" herangezogen, echte wie erfundene und klischeehafte Liebesdialoge in eine Art Sprachkurs übersetzt.

Wölgers Diwan samt Pflanzenecke dient zur eigenen Inszenierung der Besucher in einer Toninstallation mit dem Titel "What you see is what you hear". Die Anregung dazu stammt von Fred Wilsons TV-Show.

Hansel Satos Comics und Carlos Perez’ Bilder begleiten die Schau, die von Bildschirmen dominiert wird. Die Comic-Novela von Sato weist auf eine Verpflanzung der Soaps in Zeichnungen, ähnlich den japanischen Mangas. Er verwendet aber die mexikanische Antiheldin und Geliebte des Eroberers Hernán Cortés, Malinche, als Stereotyp weiblichen Verrats.

In Perez’ Gemälden ist die Familienzusammenkunft vor dem TV-Gerät das Thema: "und auch deine Mutter gemeinsam mit deinen Onkeln, Großeltern, dem Zorn und mir."

Fran Ilich aus Mexiko hat eine politische Telenovela in 15 Kapiteln ursprünglich für die Internetplattform YouTube gedreht, doch der Medienkonzern Televisa zwang ihn, diese kritischen Filme aus dem Internet zu nehmen; als Grund wurden Copyrightverletzungen angegeben. Eine kolumbianische Pop-Sängerin, Mord, Intrige und die Zapatisten sind Inhalt der Telenovela "Adry, die Hässliche".

Carla Degenhardts Fotoinstallation "Circe" sind einem Fotoroman von 1998 bis 2008 entnommen – es geht um Klischees von Freundschaft, Liebe, Verrat, Tod und Versöhnung in fast märchenhafter Paraphrase.

Ihr Video "Telenovaschlacke" spielt auf der Dachterrasse eines Hochhauses in Buenos Aires. Die Protagonistin, Telenovela-Schauspielerin Gisela Moro, spielt ihre Rollen humorvoll verfremdet.

Die Schau, an der noch Paula Delgado und Basile Baixe vertreten sind, basiert auf einer Idee von Studierenden und Absolventen, die meist aus Lateinamerika stammen.

Telenovela

Carla Bobadilla, Hansel Sato

(Kuratoren)

Aula der Akademie:

am Schillerplatz

bis 27. April

Mittwoch, 19. März 2008

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